Basalt-Tour 2010
Eigentlich war ja gar kein neuer Zweihunderter geplant. Ursprünglich sollte es lediglich eine neue Tour nach Chemnitz werden. Aber die Wetterbedingungen waren günstig voraus gesagt, leichter Wind von Nordwest, moderate, warme Temperaturen und dann hatte Dagi in ihrer Tagesplanung von vornherein angenommen, dass ich erst am Abend in Chemnitz sein würde.
Zunächst hatte ich also eine Tour nach Chemnitz mit Umweg gedacht. Ein Umweg über Marienberg, Wolkenstein zum Beispiel… Das wäre ungefähr eine 170 km-Runde geworden. Dann aber fehlte mir auf dieser Route der eigentliche Höhepunkt. Weshalb also den Umweg nicht über Olbernhau und den Hirtstein ausdehnen?! Auf den Hirtstein wollte ich sowieso schon seit Jahren, den Basaltfächer wollte ich gern mal aus der Nähe sehen. Und falls es nicht so gut rollen sollte, könnte ich ja jederzeit die Route abkürzen…
Also Tour nach Chemnitz mit „Beule“. Und wie groß diese sein könnte, würde ich an Ort und Stelle entscheiden.
Samstag, 26.06.2010
Morgens lasse ich mir recht viel Zeit, erst 7 Uhr breche ich auf. Die Sonne scheint, der Wind weht angenehm aus Nordwest und schon jetzt am Morgen sind auch die Temperaturen ganz ok. Es ist tatsächlich optimal heute. Merkwürdig ist nur auf den ersten paar Metern das Gefühl auf dem Kopf…
Rennrad, ja, ich fahre doch mit Rennrad, dann bin ich etwas schneller, aber da fehlt… Na klar, der Helm! Den habe ich ganz vergessen. Also zurück, Helm holen und dann ist endlich 7.12 Uhr richtiger Start.
Es rollt wunderbar, Wolfshain, Erdmannshain, Naunhof, Großsteinberg… Weiter geht es über Grethen, Großbardau schließlich hinab ins Muldetal. Die Kilometer purzeln, Großbothen, bei Kössern überquere ich die Mulde, dann biege ich via Erlln ins Tal der Freiberger Mulde ab, überquere diese auf der alten Brücke bei Maaschwitz. Es ist wirklich traumhaft, so dahin zu kurbeln. Dann aber ist der erste richtige Stich in Sicht. Von Podelwitz nach Commichau hinauf sind es fast 100 Höhenmeter auf 2 Kilometern. Die fordern schon ein wenig.
Doch so gewinnt man wenigstens effektiv an Höhe, kommt sehr rasch aus dem Tal. Nun weiter, mal mehr, mal weniger ansteigend in Richtung Hartha. Bis auf 326 m auf den Gallberg muss ich. Dort oben kreuzen mehrere Straßen von Leisnig, Colditz, Rochlitz, Döbeln. Und auch die Straße nach Hartha, Waldheim zweigt hier oben ab. Im Dunst im Nordosten sehe ich den Collm… Da oben war ich auch lange nicht mehr, müsste man auch glatt mal wieder machen. Na im Herbst, wenn die Luft klar und die Sicht besser ist.
Nun erlebe ich eine lange rasante Abfahrt auf der Umgehungsstraße an Hartha vorbei, nach Waldheim hinein. Und in Waldheim geht es dann noch steiler hinab ins tiefe Zschopautal.
Entlang der Zschopau weiter nach Kriebethal, dann wieder hinauf nach Ehrenberg. Auf halber Strecke bietet sich ein schöner Blick hinüber zur Burg Kriebstein, so dass ich die Gelegenheit nutze, hier die erste Pause zu machen.
Der Schweiß läuft schon in Strömen, in der Sonne ist es recht warm. 58,40 km habe ich hinter mir, es ist 9.27 Uhr. (2:15:50 Fahrtzeit) Na, wenn es so weiter geht…
Auf der Höhe entlang rolle ich nun wieder auf allmählich ansteigender Straße über Rossau nach Hainichen. Kurz vor Hainichen überquere ich die A4, an dieser Ausfahrt sind wir schon oft von der Autobahn abgefahren. Dann geht es bergab nach Hainichen hinein, an diesem Wochenende feiern die Leute hier 825 Jahre Hainichen, alles ist geschmückt. Durchs Zentrum komme ich trotzdem recht gut voran, die Straße nach Oederan ist ausgeschildert, so dass ich nun den nächsten Berg ohne weitere Pause in Angriff nehmen kann.
Das Fatale ist, ich werde es auf längere Zeit unangenehm merken, dass ich nunmehr parallel zur Flöha fahre. Alle Seitentäler zur Flöha hinab verlaufen quer zu meiner Fahrtrichtung. So habe ich bis Oederan zwei- bis dreimal einige Höhenmeter im Auf- und Abstieg zu bewältigen und von Oederan nach Eppendorf wird es dann noch ein wenig heftiger, da ich mich schon im Erzgebirgsvorland befinde und die Höhen höher und die Täler tiefer werden.
Es sind ein paar knackige Stiche dabei, aber… Noch ist alles im grünen Bereich. Auch wenn die Höhen im Süden bedrohlich hoch wirken. Will ich wirklich da hinauf? Oederan liegt tief im Tal, nach Eppendorf geht es dann heftig bergauf, kurz darauf bin ich schon ein ganzes Stück über 400 Meter.
Es geht so weiter, vom entspannten Dahinrollen ist keine Rede mehr, aber immer noch besser, als wenn ich auch noch Gegenwind hätte. Zwischendurch sehe ich im Westen die Augustusburg. Die ist gar nicht weit weg. Eppendorf, kleine giftige Steigungen, 500 Meter Höhe. Aber dann folgt eine schöne Waldstraße inklusive einiger Wellen nach Reifland hinüber. In allernächster Nähe befindet sich die Saidenbachtalsperre. Ich bin im Erzgebirge. Reifland, zweite Rast (103,86 km, 11.35 Uhr, 4:13:00 Fahrtzeit)
Auf der Karte, bzw. auch „Armin“ hat mir das schon mitgeteilt, sehe ich, dass ich nun weit hinab zur Flöha muss und auf der anderen Seite wieder hoch hinaus bis Lengefeld. Hinab geht es schnell, die Bremsen bekommen auf den Serpentinen Einiges zu tun.
Schön ist es kurz darauf anzusehen, das rauschende Flüsschen eingebettet im Grün der Talhänge. Aber jetzt hinauf! Ich habe blöderweise die Kette beim letzten Wechsel nicht gekürzt, nun schleift sie auf dem kleinen Blatt. Hoffentlich hält die durch! Das scheinen doch etwas mehr als 10% zu sein. Doch es geht, auch wenn ich oben in Lengefeld erst einmal ein wenig die Lust auf weitere Berge verloren habe. Von Lengefeld rolle ich gleich im Anschluss nun wieder hinab nach Pockau. Pockau, Baustelle, aber mit dem Rad… Na man kennt es ja. Das ist übrigens heute schon die dritte oder vierte Baustelle, durch die ich mich hindurch mogeln muss.
Sanft ansteigend, wieder etwas entspannender und auch etwas zügiger entlang der Flöha erreiche ich nicht lange danach Olbernhau. Olbernhau liegt über 400 Meter hoch, lang gestreckt auf dem weiten flachen Talboden. Die Höhen da drüben befinden sich schon in Böhmen, da oben ist auch Maly Haj, wo Uwe und ich in drei Wochen sein werden. Hier am Rande von Olbernhau scheint auch Industrie und Gewerbe noch zu funktionieren, Olbernhauer Glas und dann noch ein erzgebirgischer Schnitzbetrieb, großzügig und weiträumig, man hat den Eindruck, dass sogar die Straße, die Infrastruktur hier entsprechend ausgebaut wurde. Oder wurde das auch getan, damit die Busse nach Seiffen besser durchs Gebirge kommen? Allerdings kann man sich auch mühelos vorstellen, wie abgelegen und hinterwäldlerisch die Menschen hier lange Zeit gelebt haben. Und das Gefühl verstärkt sich auf den nächsten Kilometern noch. Kaum ein Auto ist hier unterwegs. Na mir ist es Recht.
In Rothental mache ich erneut eine Rast. (127,42 km, 12.52 Uhr, 5:19:21 Fahrtzeit) Eigentlich ist das gar keine so große Entfernung, aber nach den bewältigten Höhenmetern und dem bevorstehenden Anstieg muss ich erst einmal anhalten. Trinken, Trinken, Trinken, Hunger habe ich keinen… Und in der Sonne ist es recht heiß. Doch die Straße nach Reitzenhain hinauf führt durch den Wald. Der Anstieg ist elend lang, manchmal wird es etwas steiler, in Rübenau, nach 7 Kilometern muss ich anhalten, trinken, allerdings wird es auch zunehmend kühler. Und wenn die Sonne hinter den Wolken verschwindet, dann ist es doch recht unangenehm.
Es wird allmählich zur Schinderei… Nimmt denn dieser Anstieg kein Ende? „Armin“ zeigt 600 Meter, 650, 670… Kühnhaide, 750 Meter… Doch, es ist geschafft. Reitzenhain. Ein Stück muss ich auf der Straße nach Chomutov entlang, Radfahrer, darunter auch welche mit Rennrad kommen mir entgegen. Täuscht das oder sehen die etwas erholter aus?
Den Hirtstein habe ich vor Minuten ebenfalls schon gesehen, der schien noch erschreckend hoch. Das sind noch einmal 140 Höhenmeter! Aber nun bin ich einmal hier oben, die Chance lasse ich mir nicht entgehen. Es wird schon zu schaffen sein. Die Straße in Richtung Steinbach kenne ich, die Straße nach Satzung hinüber, oder besser hinauf, dagegen noch nicht. Allmählich zieht die sich bergauf. Unweit drüben die Moorwiesen um Jilmova an der böhmischen Grenze, dort drüben fuhr ich 2007 entlang. Satzung, 810 Meter, es nützt nichts, auch wenn der Hirtstein nahe ist, ich muss nochmals verschnaufen und trinken.
Und dann schiebe ich die letzten 50 Höhenmeter, die kleine Stichstraße zur Baude hoch ist mir jetzt zu steil. Noch wenige Minuten in sengender Sonne bis zum Gipfel, mir wird ein wenig komisch, ich habe die dumme Ahnung, den Fehler der Höllentour 2007 wiederholt zu haben.
Ein wenig Übelkeit, eine ungute Schwäche… Nur das jetzt nicht! Die Basaltfelsen interessieren mich nun leider gar nicht mehr so richtig, ich mache zwar Fotos, versuche auch, den wunderbaren Ausblick von hier oben zu würdigen, doch dass es mir gerade Oberkante Unterlippe steht, beschäftigt mich im Augenblick etwas intensiver.
Auf einer Bank am Basaltfächer, der wirklich eindrucksvoll ist, auch wenn Kenner behaupten, dass der Zlaty Vrch in der Lausitz da noch größer und bedeutender sein soll, lasse ich mich nieder. Erst einmal zur Ruhe kommen, Trinken und vor allem etwas Essen! Auch wenn scheinbar nix geht, zwinge ich mich, eine Banane in mich hinein zu stopfen. Und dazu noch ein Energie-Gel. Zucker, Taubenzucker.
Das muss den nötigen Schub jetzt geben. Zumal es ja nun endlich auch bergab geht.
Hirtstein (890 m, 152,35 km, 14.40 Uhr, 6:47:30 Fahrtzeit) Bis Chemnitz sind es noch geschätzte 55 Kilometer. Da wird es also doch recht sicher ein 200er, ohne dass ich noch eine Ehrenrunde drehen muss. Aber erst einmal muss ich den Magen in den Griff bekommen. Ein paar Minuten Ausruhen, dann ein Foto vom Basaltfächer…
Noch ein Blick über die Hochflächen des Erzgebirges. Eigentlich ist es wunderschön hier oben. Na, in drei Wochen sind wir wieder hier… Dann geht es wirklich bergab.
Es ist beeindruckend, wie schnell ich wieder im Tal bin, die Straße nach Steinbach hinab ist noch steiler als von Reitzenhain drüben. Es sind ja schließlich auch noch einmal hundert Höhenmeter mehr. Nun, nicht sehr schnell, ich habe an den kleinen Anstiegen ziemlich zu tun, durchs Preßnitztal in Richtung Wolkenstein. Erstaunlich, wie schnell sich der Körper wieder regeneriert. Auch wenn ich sicher keine Bäume mehr ausreißen würde, komme ich trotzdem gut talwärts.
In Wolkenstein ist meine Bank in praller Sonne natürlich frei für mich. Als ich Pause mache und noch eine Banane esse, bläst drüben Einer beim Griechen auf einem Didgeridoo. Der sieht mit seinem Hut auch so ein bisschen wie Crocodile Dundee (sächsische Version) aus. Klingt nicht schlecht.
Den Rennradler, der mit geschätzten 45 km/h an mir vorbei saust, ignoriere ich geflissentlich. (172,84 km, 15.50 Uhr, 7:37:30 Fahrtzeit) SMS an Dagi, ich denke, gegen 18 Uhr in Chemnitz zu sein.
Nun wieder einmal entlang der Zschopau, Hopfgarten, Scharfenstein, Wilischthal. „Killerberg“ über Weißbach. Erstaunlicherweise geht der recht gut. Trotzdem mache ich vorsorglich noch eine Rast am Gemeindeteich, so wie immer, damit ich nun auch die letzten Kilometer gut packe. Das Umleitungsschild zur B174 irritiert mich, der Bahnübergang in Dittersdorf drüben im Zwönitztal soll gesperrt sein? Das wäre schlimm. Wie soll ich mit dem Rad auf der 4-spurigen B174 weiter kommen??? Also einfach riskieren… Irgendwie müssen doch auch die Leute in Dittersdorf über die Bahn kommen. Und wenn ich das Rad übers Gleis tragen muss… Schussfahrt hinab ins Zwönitztal, weit und breit keine Baustelle zu sehen, der Bahnübergang offen (???), dann bin ich gleich darauf in Einsiedel. Einsiedel, Erfenschlag, Chemnitz…
Am Südring im Gewerbegebiet stehen wieder „200“ auf dem Fahrradcomputer. Hinauf zur Stollberger Straße kurbele ich, den Ulmenstraßen-10%er erspare ich mir aber auch dieses Mal.
Es reicht wieder einmal.
17.49 bin ich da.
Mir geht es gut, ein wenig schlapp bin ich, aber irgendwie ist ja heute auch noch Kneipe angesagt… Das muss ich schon irgendwie noch schaffen. Auf dem Hirtstein hätte ich nicht gedacht, dass ich noch so gut bis Chemnitz kommen würde. Die Bananen waren genau das Richtige in der Not.
206,39 km, 9:03:15 Fahrtzeit, 2350 Höhenmeter
Es war eine schöne anstrengende Tour, an die ich gerne zurückdenken werde. Und am Sonntagmorgen habe ich mich doch tatsächlich so gut erholt, dass ich dann schließlich nach dem Frühstück auch noch nach Hause zurück radeln kann und noch weitere 102 km mit Umweg an der Mulde entlang fahre.