Saalemündungstour 2012
Es war für mich physisch und auch psychisch wohl das am Besten geeignete Mittel, um in diesem Jahr richtig auf Touren zu kommen.
Der Wetterbericht hatte es angekündigt, nach fast zwei Wochen trügerisch milder Vorfrühlingsluft war am Donnerstag ein Tiefdruckgebiet mit stürmischen Winden von NW, Stärke 3-4 (in Böen 5-6) und Lufttemperaturen um 8°C herein gezogen. Auch etwas Regen sollte es geben, doch davon (in meinem Fall zum Glück) nur wenig.
Die Frage stellte sich also nun recht kurzfristig und unaufschiebbar. Was tun?
Den Tag hatte ich bereits zum Abfeiern von Stunden angemeldet, mit dem Stellvertreter war auch alles geklärt.
Außerdem war es sozusagen unmöglich, den nun einmal konkretisierten Plan zur Vorbereitung auf den Jahreshöhepunkt einfach so zu ändern. Dazu reicht die Zeit in den kommenden zwei Monaten einfach nicht mehr. Ein Abwägen von Pro und Contra brachte also eindeutig die Entscheidung zugunsten der Tour. Auch wenn einen normale Menschen für verrückt erklären, an ausgerechnet dem schlechtesten Tag Rad zu fahren – im Rückblick war der Samstag dann mit seinen Schneeschauern übrigens noch schlechter – fand diese Tour also statt.
Freitag, 30.03.2012
Ich breche gegen 6.20 Uhr auf, der Regen ist dünn, auszuhalten. Von Taucha über Rackwitz zum Schladitzer See, es wird hell, zwischen leichten Regenschleiern zeigt sich sogar selten einmal die Sonne, meldet sich dann der Wind von NW zunehmend deutlicher.
Radefeld – Richtung Landsberg, im Schutz der Sträucher und Bäume am Straßenrand fahre ich locker einen 26er-Schnitt, auf offenem Feld erreiche ich gerade einmal 20 km/h.
Aber das Eigenartige ist, ich schalte herunter, von Anfang an habe ich mich gedanklich auf diese Verhältnisse eingestellt, es stört mich erstaunlicherweise kaum. Man sollte wirklich keinen Zeitdruck haben. Herunterschalten und kurbeln. Kurbeln in kleinen Gängen, etwas tiefer über den Lenker beugen, das geht. Es geht, es rollt, langsam, aber man kommt vorwärts. Was solls?!
Das Fauchen und Flattern, die Windgeräusche blende ich aus, das gelingt ebenfalls zunehmend besser. Und kurbelt man geduldig in kleinen Gängen, dann danken es auch die Beine, die fast bis zum Schluss keinerlei Ermüdungserscheinungen zeigen.
Das ist die richtige Strategie für diese Verhältnisse!
Hinter Landsberg habe ich einen Platten, aber eine Pause wollte ich sowieso nach über zwei Stunden machen. Die Finger schmerzen beim Schlauchwechsel, es ist ziemlich kalt, sehr nett – der Bauer auf seinem alten Rad, der mir helfen will, dann aber weiter fährt, als er sieht, dass ich gut ausgestattet bin. 52,81 km liegen hinter mir (8:55 Uhr, 2:33:40 Std.) und es waren noch (ganz ehrlich) nicht die Schlimmsten. Eigentlich könnte es immer noch schlimmer kommen.
Im Westen der Petersberg, auf den fahre ich nun zunächst zu und schwenke dann in Richtung Bernburg parallel zur Fuhne nach Nordwesten ab, wo mich die Böen nun frontal erwischen.
Jeder aufflackernde Ehrgeiz, den Stundenschnitt nicht so einbrechen zu lassen, wird ganz einfach dadurch automatisch wieder unterdrückt. Geduld, Geduld.
Aufgeben? Bernburg – noch 20 Kilometer, bei diesem Wind ganz schön weit, dann Baalberge, hier bläst es am heftigsten, 15 km/h sind auf dem Rennrad gerade noch möglich. Nun lasse ich doch mal einen Fluch los, denn auf der Straße hoppelt es nun auch noch zu allem Überfluss sehr unangenehm, man hat einfach ein wenig Asphalt über das Kopfsteinpflaster geschmiert. Ekelhaft.
Aber lt. Karte MUSS es ab Calbe Kante oder gar Rückenwind geben.
Geduld! Geduld! Klein machen, über den Lenker ducken und kurbeln, kurbeln, kurbeln. Aufhören darf man dabei nicht, sonst bliebe man stehen.
Es geht, es geht.
Bernburg – Rast (11:15 Uhr, 95,38 km, 4:22:54 Std.), bis Calbe genieße ich noch einmal den intensiven Gegenwind, 110 Kilometer sind es bis zur Saalebrücke. Barby, noch 12 km – und dann rollt es plötzlich – Lohn der Anstrengung, also eigentlich war es nicht schlimm. Man wird es nicht glauben, aber ich hätte es wohl problemlos noch eine ganze Weile verkraften können, weiter gen Nordwesten zu fahren.
Das Riskante ist nun aber, dass die entgegenkommenden LKWs solch einen Sog verursachen, dass ich mich an den Lenker krallen und vorsorglich abbremsen muss, um nicht von der Straße geweht zu werden. Das ist wirklich unangenehm.
Barby, links die breite Elbe, die Fähranlegestelle, gerade sind es noch 600 Meter auf einem Schotterweg auf dem Damm.
Dann die Saalemündung, unspektakulär, ein stiller Wasserarm, der in die Elbe mündet. Ein Radlerpaar (aus Bayern), das vermutlich die Saale herab gefahren ist, ist außer mir noch hier. (125,5 km, 12:50 Uhr)
Wir fotografieren uns gegenseitig, dann rolle ich schnell zurück zur Fähre.
Es bläst heftig, die Kleidung ist feucht, aber wechseln will ich jetzt auch nicht, mir wird mit Sicherheit nach 5 Minuten wieder warm.
Die Rückfahrt verläuft nun sehr rasch, bis Roßlau fahre ich im Schnitt recht entspannt über 30 km/h, kurz vor Zerbst die nächste Rast (13.40 Uhr, 138,38 km, 6:10:20 Std.), dann ein sehr guter Radweg an der stark befahrenen B184 bis Roßlau. In Dessau (ca. 165 km) verzichte ich nun auf den eigentlich geplanten Schwenk über Gräfenhainichen, Ferropolis hebe ich mir für später auf, ich fahre die direkte Route über Raguhn. Es reicht heute, ich habe es mir bewiesen, genug Willen zu haben, auch bei widrigen Wetterbedingungen nicht gleich die Flinte ins Korn zu werfen.
Gut so. Wieder eine wesentliche Erfahrung gewonnen. Man kann auch gegen den Wind Rad fahren 🙂
15:48 Uhr die letzte Rast in Muldenstein (185,99 km, 8:02:38 Std.), dann rolle ich noch recht gut und zügig weiter an der Goitzsche entlang. Allerdings bin ich nun an den Anstiegen doch um Einiges langsamer, aber was solls. Die 200 erreiche ich am Ortseingang von Löbnitz und gegen 18 Uhr bin ich wieder zu Hause.
235,91 km, 9:58:20 Std. Netto