Harz-Unstrut-Runde 2012

Freitag, 18.05.2012
Die schöne 130-km-„Männertags“-Runde mit Holger und Axel gestern, sowie den anschließenden Grillabend habe ich gut und recht entspannt erlebt. Das monatelange Ausdauertraining macht sich nun wahrhaftig bezahlt, ich habe keinerlei Probleme mit den Beinen, das Sitzfleisch ist dick genug ;-)das sollte den heutigen Tag auch gut überstehen.
4 Uhr klingelt der Wecker, ich stehe als Erster auf. Aber trotzdem wird es 4.50 Uhr, ehe ich starte. Na ja, Zeit habe ich genug, keine Hektik, kein Drängeln.
Ich muss heute bewusst anders als bei meinen Trainingseinheiten fahren, langsamer, effektiver, mit einem gewissen Geschick, meine Reserven so zu nutzen, dass ich nicht nur heute Abend gut wieder zu Hause ankomme, sondern auch morgen (im Augenblick habe ich keinen Schimmer, wie das ausgehen wird) früh erneut aufs Rad steige und es mir immer noch Spaß macht, mich wieder auf eine längere Strecke zu begeben.
Es dämmert, eine Weile werde ich sicherheitshalber noch mit Licht fahren.
Verabschiedung von Dagi, die nun auch wach ist, dann geht es los. Es rollt anders als sonst, mir kommt es langsamer, aber nicht unbedingt schwerer als mit schmalen Reifen vor. Doch das wird wohl hauptsächlich an der frühen Stunde liegen.
Hinüber nach Engelsdorf, dann an Paunsdorf vorbei, durch Thekla und Mockau und auf der Essener Straße, Max-Liebermann-Straße durch Leipzigs Norden nun nach Westen. Schön ist dieser Abschnitt nicht, ich fahre ungern so lange in großen Städten, versuche das meist zu vermeiden, auf der Georg-Schumann-Straße komme ich dann aber recht rasch bis Schkeuditz und dann wird es auf der Straße an der Elster entlang nach Ermlitz ruhiger. Die Sonne hält sich noch ein wenig zurück, aber Licht brauche ich nun nicht mehr.
Bald erreiche ich Halle-Ammendorf, das ist genauso wenig schön wie die Stadtdurchfahrt von Leipzig, eigentlich noch schlimmer…
Insgesamt finde ich die Landschaft westlich von Leipzig wenig prickelnd, weil geprägt von viel Industrie, weiten Feldern und kaum Wald…
Kurz nachdem ich die Saale überquert habe, mache ich dann 6.59 Uhr bei Rockendorf die erste Rast (53,40 km, 2:08:24 Std.)
Danach wird es etwas hügeliger, es geht nun durch die eigenartige Landschaft um Teutschenthal in Richtung Eisleben, Mansfeld.
Weithin ist es immer noch fast kahl, d.h. größere zusammenhängende Waldgebiete findet man auch hier nicht, aber es gibt hier recht tief eingeschnittene Täler, die man queren muss und die auf mich immer eine Art steppenmäßigen Eindruck machen. Teutschenthal, dann entscheide ich mich, noch einen kleinen Ausflug in meine Kindheitserinnerungen zu machen und mache über ein paar Hügel einen Abstecher zum Süßen See nach Seeburg. Dann geht es erstmals richtig auf den Serpentinen am Berghang nördlich des Sees zur Sache.
Oben auf der Hochfläche fahre ich nun gen Nordwesten auf kleinen Sträßchen in Richtung Klostermansfeld, Mansfeld. Typisch für das Mansfelder Land sind die kegelförmigen Bergbauabraumhalden, die weithin sichtbar sind. Polleben – Nachdem mir auf den letzten 3 Kilometern die Satteltasche durch die Erschütterungen 5mal abgefallen ist, stelle ich nun fest, dass die Klickbindung gebrochen ist. Missmutig, weil ich nun die ganze Verpflegung irgendwie im Rucksack verstauen muss, entsorge ich das nutzlose Teil im Mülleimer an der Bushaltestelle, scheel beobachtet von einer Ureinwohnerin, so dass ich mir verunsichert noch ein „Guten Morgen“ abringe.
Klostermansfeld ist nun nicht mehr weit, oberhalb des Ortes mache ich 9.25 Uhr die nächste Rast.
(102,96 km, 4:15:00 Std.)
Nach Mansfeld hinab geht es in toller Schussfahrt, allerdings habe ich dann die Ehre, die solchermaßen verlorenen Höhenmeter nun auf der hier beginnenden Harz-Höhenstraße geduldig  wieder einzusammeln.
Nicht sehr steil, aber dafür lang anhaltend schwingt sich die Straße hinauf in den Harz, südlich von mir, unterhalb befindet sich das Wippertal, bald öffnet sich auch ein schöner weiter Blick über die endlos weiten waldigen Hochflächen nach Westen.
Der Harz gefällt mir von Mal zu Mal besser.
Die Trittfrequenz stimmt, ich fahre kraftsparend, unterstützend dazu bläst der Wind von Ost, es macht zunehmend Spaß, jetzt, da auch die Landschaft schöner wird.
Im grünen Wippertal die Rammelsburg, herrlich dazu im Vordergrund die hier noch gelb blühenden Rapsfelder. Harzgerode ist nun schon gar nicht mehr weit. Die B242 ist bis dahin recht stark befahren, kein Wunder bei dieser Aussicht, nervend die häufig an mir vorbei donnernden Motorrad-Kolonnen. Ich halte in Harzgerode gar nicht erst an, rolle nunmehr weit bergab, war schon über 420 Meter hoch, im Tal habe ich über 100 Höhenmeter verloren. Und dafür geht es dann zum Ausgleich im stetigen Auf und Ab gen Güntersberge. Wie weit fahre ich nun? Schaffe ich es bis zur Rappbode-Talsperre? Hinter Güntersberge steigt die Straße nun allmählich bis auf 524 m bei Stiege an. Auf diese Anhöhe im Dröhnen der an mir vorbei rasenden Motorräder sehe ich nun zum ersten Mal heute auch Wurmberg und Brocken. Weit ist das nicht mehr. Aber bis Hasselfelde fahre ich nun wenigstens noch weiter.
Auf einem Hügel oberhalb des Ortes habe ich einen tollen Blick auf die Berge des Oberharzes. Etwas zum Genießen.
Mittagsrast – 11.55 Uhr. (157,02 km, 6:30:50 Std.)
Na bitte, trotz des bergigen Profils ist es bis hierher wunderbar gerollt. Der Rückweg wird nun mit Sicherheit etwas weiter, aber das sollte doch mit der entsprechenden Disziplin zu machen sein. Aus diesem Grund verzichte ich nun auch auf die zusätzlichen 20 Kilometer bis zur Talsperre, das könnte sich sonst negativ auswirken.
Zurück nun erneut nach Stiege hinauf, der Wind, dessen Richtung ich nicht so recht bestimmen konnte, weht nun definitiv von Ost. Und das ziemlich kräftig. Friedrichshöhe, dieser böse Stich fordert mich nun doch noch einmal – dann Breitenstein, der letzte Anstieg im Harz. Denn nun geht es abwärts.
Zunächst in rascher Fahrt nach Stolberg, dort großer Touri-Rummel im kleinen Fachwerkstädtchen – schade, das habe ich schon besser erlebt – also auch hier halte ich gar nicht erst an, dann rolle ich zügig weiter nach Rottleberode, wo mit einem Schlag die Harzberge zurückbleiben und man in einem breiten Tal hinab in die Goldene Aue bei Kelbra kommt.
Wieder eine verkehrsreiche Straße, direkt nach Süden, wo man am Talende die große Autobahnbrücke der A38 und dahinter den Höhenzug des Kyffhäusergebirges sehen kann.
Der Wind, der ausdauernd weht, bremst mich nun enorm aus, ich muss herunter schalten. Kelbra lasse ich rasch hinter mir liegen, den Kyffhäuser erspare ich mir heute auch 😉
Ist ne schöne Auffahrt aber…
Nun kommt der Wind frontal, ich spüre, wie mir nun jeder kleine Anstieg zu schaffen macht, mich frustriert, weil es nicht so richtig vorwärts geht. Zum Glück erkenne ich rechtzeitig die entstehende Krise. Wenn ich jetzt anfange, zu beißen und etwas erzwingen zu wollen wie im Augenblick, da ich immer langsamer werde, dann mache ich mich unnötig kaputt und schaffe das nicht locker bis nach Hause. Ganz zu schweigen von den Nachwirkungen heute Abend und morgen. Das wird dann wirklich nur Krampf.
Hinter Kelbra knacke ich heute die „200“, rolle noch, ehe ich mir dieser Krise so richtig bewusst werde, bis kurz vor Tilleda und schiebe dann die nächste Pause ein.
(14.10 Uhr, 204,13 km, 8:26:30 Std.)
Es hat keinen Sinn, auf den Schnitt zu achten, das ist auf solchen Distanzen eher schädlich. Rechtzeitig Pausen machen, auf die Bedingungen einstellen, Tempo und Druck rausnehmen. Keinen Stress machen! Das größte Stück sollte ich schon hinter mir haben, es geht heimwärts. Nach Artern ist es nun recht flach, die Strecke kenne ich von unserer Regentour im letzten Jahr, da hatten wir allerdings kräftigen Rückenwind.
Heute ist es trotz Wärme um Einiges mühsamer, sich ins Unstruttal hinein zu kämpfen. Aber – Geduld, ehe ich das Rad frustriert in den Graben schmeiße, mache ich kurz vor Wendelstein noch eine Rast, Zeit habe ich ausreichend, und mit meinen Kräften muss ich haushalten. (16.00 Uhr, 238,37 km, 9:56:30 Std.)
Trotz der schönen Tallandschaft wird es nun zunehmend Kopfsache. Der Fakt, nun ohne ausdauerndes Kurbeln gar nicht mehr voranzukommen und stehen zu bleiben und dabei massiv Körner zu verlieren, ist frustrierend. Da entschädigt auch die Umgebung nicht, einige Kilometer weiter oben auf dem Hang die „Arche“. Nebra, ich entschließe mich, die bekannten Hügelchen auf der Hauptstraße zu meiden, nehme eher den kleinen Umweg aber dafür die flachere Strecke in Kauf. Und damit auch den schönen Gegenwind.
An einer Tanke leiste ich mir eine Flasche Cola, das hilft wieder einmal.
Bis Laucha lauern dann noch ein heftiger 10%-Anstieg und schlechte Wege, dort bewähren sich die
28er Reifen erneut, Laucha, dann Bundesstraße – die 8 Kilometer bis Freyburg finde ich im Augenblick ein wenig entsetzlich. Obwohl es zur Zeit gut rollt, die Familienradler haben viel mehr Probleme. Aber wie weiter? Abbruch in Naumburg? Ich könnte es mir einfach machen, und nach nur noch 10 Kilometern in den Zug einsteigen.
Naumburg ist verlockend. Aber im Juni kann ich auch nicht einfach so das Handtuch werfen. Zumal es mir körperlich hervorragend geht, es ist nur der Kopf, der mit dem Frust durch den Gegenwind zu tun hat.
Bis Weißenfels will ich wenigstens kommen, von dort sind es noch reichlich 50 Kilometer nach Hause. Abhängig davon, wann ich in Weißenfels sein werde, werde ich dann weiter entscheiden.
Die Sonne scheint, Freyburg liegt herrlich im Tal, ich halte, bevor ich über die Höhe ins Saaletal nach Weißenfels, was nur 13 Kilometer entfernt ist, wechsle, noch einmal an und genieße den Augenblick. Schön ist es hier. Trinken, ein paar Powergel-Gummibärchen einwerfen, obwohl mich deren Wirkung nicht überzeugt, besser hilft mir die Cola. Auch das Brot, welches ich mitgenommen habe, ist zu hart und zu trocken, ich habe zu wenig Butter drauf… Besser jetzt die Banane und noch ein Apfel… (18:15 Uhr, 281,31 km, 11:51 Std.)
So fällt mir die Weiterfahrt dann auch wieder leicht, Rekorde schlage ich nun bergauf zwar nicht mehr, aber immerhin, es rollt immer noch beschwerdefrei.
Die Beine sind ok, der Hintern auch – der Kopf will auch wieder – was will man mehr.
19 Uhr rolle ich zufrieden in Weißenfels ein und als ich die Saale überquere, habe ich mindestens so ein Gefühl wie die RAAM-Fahrer, wenn sie den Mississippi erreicht haben. Wer den Fluss erreicht, finisht im Allgemeinen auch das RAAM.
Entspannt geht es durch die Stadt, dann wieder hinauf auf der Leipziger Straße im Rippachtal in Richtung Lützen.
Kurz vor der A9 stehen die „300“ auf dem Fahrradcomputer. Und es waren nicht die schlechtesten.
Ein paar Dörfer weiter biege ich nach Osten ab und via Starsiedel verlasse ich allmählich Sachsen-Anhalt, das „Land der Frühaufsteher“. Kitzen, im Südosten die „Wolkenfabrik“ Lippendorf, dann am Horizont das MDR-Hochhaus und die Plattenhochhäuser von Grünau. Ein tolles Gefühl, Euphorie, Freude – nun ist es (fast) geschafft.
Der Wind lässt allmählich auch mit dem einsetzenden Abend etwas nach, es rollt durch Knauthain zum Cospudener See hin nun wieder viel schneller und leichter – so, als ob ich keine 320 Kilometer in den Beinen hätte. Genial.
Am „Cossi“ mache ich nun die letzte Rast und rufe kurz zu Hause an. Am See sind noch etliche Radler und Skater unterwegs. (20.20 Uhr, 325,79 km, 13:50 Std.)
Dann das letzte Stück des heutigen Tages. Entlang der Seen-Allee nach Markkleeberg, auf dem Weg am Nordufer des Markkleeberger Sees, hinüber nach Wachau und auf kürzestem Weg nach Liebertwolkwitz.
Es dämmert, Licht brauche ich nun wieder, aber nun ist es wirklich Spaß bis nach Hause. Holzhausen, eigentlich war es eine Klasse-Tour.
21.35 Uhr bin ich zu Hause.
Und mir geht es gut, es zieht ein wenig in den Oberschenkeln – zugegeben, ein wenig Salbe auf diverse Stellen schadet auch nicht – aber im Großen und Ganzen…

349,12 km, 14:51 Std. Nettofahrtzeit, 2450 Höhenmeter

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