Sachsen-Böhmen-Tour 2013
Freitag, 07.06.2013
Nach dem Vormittags-Einkauf drängt es mich doch unheimlich, endlich los zu fahren. Obwohl ich mir eigentlich vorgenommen hatte, mir heute viel Zeit zu lassen. Aber die Ungewissheit, wie die Straßen infolge des schlimmen Hochwassers der vergangenen Tage im Chemnitz- und Muldetal befahrbar sein würden, verursacht mir doch sehr viel Unruhe.
Das Rennrad ist umgebaut, d.h. die Paris-Zf-Laufräder mit den 28er-Reifen sind montiert, bepackt ist auch alles, es kann also schnell losgehen.
Kurze Verabschiedung und dann rollt es auch ganz gut los, durch die Dörfer – die Sonne scheint, blauweißer Himmel. Schön!
Doch kurz vor Threna spüre ich plötzlich unter mir ein wohlbekanntes weiches Holpern des Rades. Sch… So ein Mist aber auch. Ein Platter!
Nach 10 Kilometern…
Eigentlich wollte ich entspannt bis Auerswalde rollen und nun das! Da ich nur noch einen Ersatzschlauch habe und absolut gewiss bin, dass ich mit diesen Reifen hier kein Glück haben werde, rufe ich zu Hause an. Einige Minuten muss ich am Straßenrand warten, zum Glück ist das Malheur schon hier passiert, da verliere ich nicht zuviel Zeit.
Im Auto fahren wir nun zurück nach Hause, in aller Hektik packe ich alles aufs Merida T3 um, da habe ich gestern neue Reifen aufgezogen, die sind sehr widerstandsfähig. Also muss ich dieses Wochenende gezwungenermaßen mit dem Merida fahren. Einen Zweihunderter habe ich damit noch nie versucht, doch eine andere Möglichkeit habe ich nicht. Denn die Tour mit Original-Laufrädern am Rennrad möchte ich bei den zu erwartenden tschechischen Straßenbedingungen auch nicht unbedingt testen.
Gegen 13.15 Uhr der zweite Versuch. Ein wenig in Hitze bin ich nun schon. Aber auch auf dem Merida rollt es gewohnt gut – ich nehme nun die kürzeste Route. Naunhof, Großsteinberg, via Pomßen nach Otterwisch und weiter bis Bad Lausick.
Dann geht es sacht bergauf, ich schone mich möglichst, kurbele in recht kleinen Gängen bis Geithain und dann steigt die Spannung. Die Muldebrücke in Rochlitz soll laut Verkehrsmeldung noch gesperrt sein, von Wechselburg war nicht die Rede. Also fahre ich bis Mutzscheroda und dann hinab ins Muldetal. Tatsächlich, die Muldebrücke ist frei, aber ich will nun bis Göhren, unter dem Viadukt durch und dann über die Mulde hinauf nach Cossen. Die Mulde ist noch recht voll, schlammig braunt tost das Wasser, teilweise hat sie sich neue Wege gesucht, überall sehe ich neue Schuttfelder, die sie angespült hat. Ist schon beeindruckend, welche Kraft das Wasser hat. Da baut der Mensch jahrelang teure Schutzvorrichtungen und dann genügt ein heftiges Hochwasser, um das alles wie Spielzeug hinweg zu wischen.
Bis Cossen ging es tatsächlich gut zu fahren – auch die alte Muldebrücke war passierbar.
Nun werde ich das Chemnitztal testen – vielleicht geht da auch etwas, notfalls muss ich halt auf den Berg hoch und auf der Bundesstraße bis Auerswalde fahren. Aber trotz einem Umleitungsschild komme ich problemlos im Chemnitztal voran. Auch hier hat die Chemnitz ganze Arbeit geleistet, Uferböschungen sind weggespült, weggebrochen, die Straße scheint ok zu sein, nur bei Köthensdorf ist ein Stück für den Autoverkehr gesperrt und am Auerswalder Berg hat es den Asphalt ein Stück unterspült.
Aber mit dem Rad kommt man gut durch. Etwas erhitzt erreiche ich dann schon 15.30 Uhr Auerswalde. Es ist aber auch sehr schwül geworden, dunkel drohen Gewitterwolken im Süden.
Uwe fährt nun mit dem Rennrad vornweg, aber ich bin ein wenig geschafft, kann nicht so recht folgen, so dass er auf mich Rücksicht nehmen muss. Über den Lichtenauer Berg fahren wir nach Frankenberg hinab, auch hier ist die Zschopaubrücke wieder frei, vor wenigen Tagen noch war hier das ganze Tal überflutet. Und dann zeigt mir Uwe seine Lieblings-Arbeitsweg-Strecke bergauf nach Hausdorf, es wird steil, geht lange hinauf, das macht mir schon ganz schön zu schaffen, zumal es immer noch schwül ist. Und im Südwesten sehen wir ein heftiges Gewitter über Augustusburg – das sieht sehr eindrucksvoll aus. Auf kleinen Sträßchen rollen wir nun über die Höhen, die Strecke bietet schöne Ausblicke bis zum Rochlitzer und zum Collmberg sowie im Süden zum Erzgebirge. Schön, das lohnt sich. Schönerstadt, Frankenstein, Uwe kennt die ganzen Schleichwege – ehe wir schließlich in Freiberg einrollen.
Mir genügt es dann für heute, meine Sorge ist, dass ich mich vor der morgigen großen Tour nicht schon zu sehr verausgabt habe.
Rasch erreichen wir sein Büro, die Luftmatratzen sind schon aufgeblasen – topp. Duschen – saubere Radklamotten anziehen und dann geht es noch einmal zu Fuß in die Stadt. Die „Stadtwirtschaft“ ist ein tolles Restaurant, hat einen schönen Biergarten, in dem wir sitzen. Und dort gibt es nur böhmische Biere und Gerichte. Lecker!
Beim Schwätzen, dem Power-Schnitzel (!!!) und zwei drei Bierchen ist sogar auch eine entsprechende Regeneration möglich, ehe gegen 23 Uhr Nachtruhe im Büro ist. Der Büroschlaf ist am gesündesten 🙂
Strecke 120,93 km, 5:15 Std. Fahrtzeit netto, ca. 1100 Höhenmeter
Samstag, 08.06.2013
Gegen 6.15 Uhr sind wir fahrbereit, zunächst geht es aber erst einmal noch zum Bäcker in der Nähe auf zwei Stückchen Kuchen und einen schönen Kaffee. Wetter – sonnig, leicht bewölkt, es sind lokal schwere Gewitter angesagt, doch vielleicht haben wir Glück. Das Frühstück ist ein Genuss, danach holen wir Holger vom Bahnhof ab. Er ist mit einem der ersten Züge von Leipzig via Chemnitz nach Freiberg gekommen. Die Verbindung funktionierte glücklicherweise.
Kurz nach 7 Uhr verlassen wir also nun Freiberg südostwärts und rollen durch das ebenfalls wieder gut befahrbare Tal der Freiberger Mulde in Richtung Erzgebirge.
Während wir nun das lange Tal allmählich aufwärts kurbeln, bewölkt es sich im Süden zusehends, schon jetzt, in den Morgenstunden kann man große Quellwolken beobachten, die in die Höhe schießen. Auch hier hat das Hochwasser in den Uferbereichen Spuren hinterlassen und der Fluss ist noch mit viel Wasser gefüllt. Rechenberg-Bienenmühle, Holzhau, nach ca. 45 Kilometern verlassen wir nun die Straße, dann erreichen wir schon die böhmische Grenze und machen kurze Pause. Hier kamen wir 2006 auf unserer Freiberg-Mulde-(Sturz-)-Tour vorbei. Unmittelbar danach geht es steil aufwärts nach Moldava.
Auf weniger als 2 Kilometern müssen wir nun mehr als 200 Höhenmeter nachholen, die uns bis zum Erzgebirgskamm noch fehlen. Eigenartig finde ich wieder die nur grasbewachsenen Berghänge, die ein wenig ans Riesengebirge erinnern, Moldava, drüben die Baude, in der wir 2006 übernachteten, dann der letzte Stich und dann erreichen wir nach einer recht guten Zeit schon die Straße. Aber auch hier geht es noch aufwärts, ehe wir wieder abbiegen und auf dem Kamm, mit einigem Auf und Ab weiter fahren. Der Blick schweift über die Höhen bis zum Kahleberg drüben. Das ist übrigens nun ein Stück der Strecke, die Uwe und ich 2010 auf der Erzgebirgs-Kammtour zurück legten.
Das Auf und Ab wird im Anschluss noch ein wenig heftiger, einige Höhenmeter kommen auch hier oben zusammen. Bis auf maximal 870 m müssen wir aber zunächst noch hinauf.
Erst in Dlouha Louka kommen wir an die Südkante des Erzgebirgskammes, von der sich ein weiter Tiefblick hinüber ins Böhmische bietet.
Nun folgt eine Schußfahrt auf teils regennasser Straße in Serpentinen steil hinab bis kurz vor Osek.
Kurz vorher rechts ab, Loucna, Lom, und nun noch weiter hinab, bis wir nur noch ca. 200 Meter hoch sind.
Nach ca. 75 Kilometern gibt es nun die nächste Pause im Kohlegebiet.
Das erste Gebirge ist überwunden. Und die im Dunst noch weit entfernten Kegel des Böhmischen Mittelgebirges sind recht nahe gerückt. Gewaltig wirkt das – riesig, da wollen wir wirklich noch hin und hinüber?
Schnell rollen wir nun weiter, der Boren ist in Sicht, eindrucksvoll. Branany, schon sehen wir die große Straße Most – Teplice, herrlich ringsum nun auch das Land, Graslandschaften, Kegelberge, kleine Dörfer dazwischen.
Nachdem wir die Hauptstraße passiert haben, ist kurze Rast, dann folgt der nächste Anstieg. Es geht wieder lange hinauf. Ringsum grollen schon Gewitter, drohen schwarze Wolken, aber wir bleiben trocken, hier scheint noch die Sonne. Nicht schlecht… Einige Kilometer vor Milesov wird die kleine Straße dann sehr steil, der Schweiß läuft in Strömen, es geht nur langsam voran, bergauf, ehe wir den Sattel in 530 Metern Höhe erreichen.
Und auf der Schußfahrt bis Milesov öffnet sich plötzlich nach kurzer Waldpassage der Blick auf die Königin, die majestätische Milesovka.
Das ist ein Anblick, der muss per Foto festgehalten werden. Leider drängt die Zeit, wir haben erst knapp 90 Kilometer zurückgelegt, der Großteil der heutigen Tour liegt noch vor uns. Am Ostry entlang lauert das nächste Steilstück, die nächsten Höhenmeter, doch noch sind wir alle gut drauf.
Schöner Ausblick auf das Kegelberg-Panorama im Süden, bis zur Hazmburk, diese Strecke habe ich noch in traumatischer Erfahrung von meiner „Höllentour“ 2007, da ging es mir zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich elend. Auf den von mir zusätzlich geplanten Umweg zur Hazmburk verzichten wir aber nun vernünftigerweise in einheitlicher Meinung. Auch die große Straße, der wir nun in welligem Auf und Ab entlang bis Libceves folgen, fordert uns ein wenig. Nach 100 km ist deshalb erst einmal Rast an einer Tankstelle angesagt, sehr gut, solo wäre ich vermutlich weiter gefahren, so aber tun die Flasche Kofola und die paar Minuten Ruhe uns allen richtig gut. Ich bin immer noch arg fasziniert von der Landschaft, es ist einfach schön, wie sich diese weite Graslandschaft und die Vulkankegelberge hier präsentieren und sehr idyllisch ist auch der Anblick der kleinen Dörfer.
Auf der Weiterfahrt nach Südwesten, gen Louny, zeigen sich die Berge Mila, Oblik und Rana nun auch noch einmal in ihrer ganzen Schönheit, ehe wir westwärts allmählich die Region verlassen. Südlich das Egertal, nördlich im Dunst die Mauer des Erzgebirges. Und immer noch türmen sich ringsum die Gewitterwolken. Der Wind weht aus Nordost, unterstützt uns ganz gut, aber die Strecke bis Jirkov, Chomutov macht zunehmend zu schaffen.
Die Plattenbauten von Jirkov sind schon zu erkennen, im Nordosten sehen wir Most, im Osten verschwinden die Berge des Böhmischen Mittelgebirges. Drüben zeigt sich sogar der Boren. Es war eine ganz schöne Schleife, die wir da gefahren sind. Aber ich denke, es hat sich gelohnt.
Es wird mühselig, wir werden langsamer.
Chomutov, der Badesee rechts… Heute badet dort niemand. Und nun kommt uns der Billa-Supermarkt in Chomutov noch einmal für eine längere Rast wie gerufen. Zeitmäßig liegen wir gut, es ist 16 Uhr, topp! Danach die Auffahrt durchs schöne Besruzova-Tal. Auch hier läuft das Wasser die kleine Straße hinab, es muss kurz vorher wie aus Eimern geschüttet haben. Uwe hat sein Tempo gefunden, er kurbelt langsam und geduldig, Holger und ich sind etwas schneller, kurbeln aber auch sehr gleichmäßig wieder bergauf. Ab und zu halten wir, rasten kurz, dann geht es weiter. Auf diese Art erreichen wir schon gegen 17.30 Uhr recht entspannt die Hochfläche des Erzgebirgskammes und Hora Svate Sebestiana. Pause.
Amüsant ist der Tscheche aus Chomutov auf dem Mountain Bike, der mir erzählt, dass er regelmäßig hier hinauf fahre und ein Bierchen in der Kneipe trinke, ehe er dann wieder in die Stadt hinunter rolle.
Wir machen Pause auf einer Bank, wechseln in trockene Klamotten, essen etwas und dann geht es sehr schnell nach Reitzenhain hinüber.
Von Reitzenhain dann wieder Schußfahrt hinab nach Steinbach und im Preßnitztal hinunter nach Wolkenstein. Es ist 19 Uhr, ebenfalls eine gute Zeit, die 200 haben wir kurz vor dem Bahnhofsrestaurant geknackt.
Und an der Zschopau hinunter kann man, so gut rollt es jetzt, nochmal so richtig Gas geben.
Selbst der gefürchtete „Killerberg“ von Wilischthal über Amtsberg nach Einsiedel ist heute kein Problem. Bis Chemnitz ist der Rest nur noch Kür. Das Zwönitztal, die Straßen sind auch hier nass, Einsiedel, Erfenschlag, dann ein Stück durch Chemnitz, die gewohnten Schleichwege.
234,36 km, 10:51 Std. Netto-Fahrtzeit, 2750 Höhenmeter
Sonntag, 09.06.2013
Nach dem Geburtstags-Büffet entscheide ich spontan, mich auf dem Rad noch etwas auszutoben und nach Hause zu fahren.
Im Südosten zieht zwar finster ein Gewitter auf, doch das wird sich sicher im Erzgebirge abregnen.
Erst als ich schon im Chemnitztal unterwegs bin, begreife ich, dass dieses Gewitter eine hunderte Kilometer breite Front ist, die auch mich voll erwischt. Im Sturzregen, ich sehe nur noch Wasser, die Straße ist eine einzige Wasserfläche, ringsum blitzt und donnert es, schaffe ich es bis zu einem Unterstand an einem alten Pförtnerhäuschen einer stillgelegten Fabrik, wo ich das Schlimmste abwarte. Ich muss nur aufpassen, dass ich nicht in das Schälchen Milch oder in die alte Schüssel mit Katzenfutter trete.
Bis Göritzhain habe ich dann immer noch Regen, bin völlig durchnässt, es ist kalt. Erst an den Anstiegen nach Cossen und kurz darauf nach Mutzscheroda wird mir wieder warm.
Bei Geithain scheinen die Unwetter Schäden verursacht zu haben, überall ist Feuerwehr und Polizei zu sehen. Aber im Südwesten reißt es auf, vor Bad Lausick kommt auch die Sonne wieder heraus und in ihrem Licht und in der klaren Luft bekommt diese Tour auch noch etwas Versöhnliches.
Kurz nach 19 Uhr bin ich schließlich wieder zu Hause – der Sachsen-Böhmen-Kreis hat sich geschlossen.
81,90 km, 3:09:53 Std. Fahrtzeit netto, 400 Höhenmeter