Golem

Kennt jemand den Golem?
Ja? Nein?
In seinem Leben weit herum gekommen, wirkte Rabbi Löw während seiner letzten Lebensjahre als Oberrabbiner in Prag. Seinerzeit, um 1580 herum, waren, wie in vielen Teilen Europas, auch die Juden der Prager Josefstadt in häufiger Bedrängnis und Gefahr, ihnen wurde vorgeworfen, angeblich Ritualmorde an Kindern zu begehen.
Rabbi Löw schuf daher eine Figur aus Lehm, die er mittels eines in deren Mund gesteckten Zettels mit dem Namen Gottes zum Leben erweckte. Der auf Grund seiner Größe respekterheischende Golem hielt Wache und kontrollierte jeden, der eine größere Last bei sich trug, ob diese ein totes Kind wäre, welches man in böser Absicht den Juden der Josefstadt unterschieben wollte. Mit der Zeit ließen die verleumderischen Anschuldigungen nach, Kaiser Rudolf II. sicherte in einem Gespräch mit Rabbi Löw zu, gegen alle falschen Beschuldigungen künftig konsequent vorzugehen.
Deshalb beschloss der Rabbi, den Golem wieder zu vernichten, was er der Legende nach auf dem Dachboden der Prager Altneu-Synagoge, die heute noch steht, tat.
Schaut man sich heutzutage in den Schaufenstern der Souvenir-Läden die Golem-Figuren an, dann möchte man einer solchen in Lebensgröße nicht unbedingt in einer einsamen Gasse begegnen. Andererseits hätte es wohl auch der Golem angesichts der Touristenmenge in den heute prunkvollen Straßen der Josefstadt wohl recht schwer, sich entsprechende Geltung zu verschaffen.
Das Denkmal des Rabbis kann man am neuen Prager Rathaus betrachten, sein Grab befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof.
Für mich ist diese Legende ein Anlass, mich einmal in Meyrinks schaurige „Golem“-Version zu vertiefen.

„Und wie jener Golem zu einem Lehmbild in derselbe Sekunde erstarrte, in der die geheime Silbe des Lebens aus seinem Munde genommen ward, so müssten auch, dünkt mich, alle diese Menschen entseelt in einem Augenblick zusammenfallen, löschte man irgendeinen winzigen Begriff, ein nebensächliches Streben, vielleicht eine zwecklose Gewohnheit bei dem einen bei einem andern gar nur ein dumpfes Warten auf etwas gänzlich Unbestimmtes, Haltloses – in ihrem Hirn aus.“ (Gustav Meyrink, Der Golem, 1915)

20 Kommentare zu „Golem

  1. Beautiful images. 😊

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  2. Îch kenne de Roman. Schöner Beitrag.

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    1. Danke Dir. 🙂 Im Roman ist Prag ein extrem düsteres Pflaster, ich habe mir historische Fotos von Josefstadt vor dem Abriss und dem Neubau angesehen, dasselbe hat man vor Augen, wenn man das Buch liest.

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  3. Meyrink war schon ein großer Wortzauberer.

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    1. Und er verstand hervorragend, mit Worten auch das Unheimliche, diffus Grenzüberschreitende sehr bildhaft darzustellen.

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      1. Ja, ich hab e das grüne Gesicht und den Engel vom westlichen Flügel gelesen, beide sehr faszinierend finde ich.

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        1. Der Golem bei Meyrink spielt an sich nur eine Rand-Rolle, eher geht es dort um die Begegnung mit dem eigenen Inneren. Beklemmend, spannend und unheimlich geschrieben. Kenne sonst von ihm nur die Walpurgisnacht.

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        2. Den möchte ich dann auch noch lesen. Das gibts ja mittlerweile sogar kostenlos bei Gutenberg.

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        3. Habe da lieber ne Buchausgabe (da reicht auch Reclam) in den Fingern 😉

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  4. Den Golem kannte ich bisher nur aus einem Text von Heinz Rudolf Kunze (Der Golem aus Lemgo), habe den Hintergrund aber nie recherchiert. Jetzt weiß ich wieder etwas mehr.
    Grüße
    Matthias

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    1. Golem und das alte Prag war für mich immer irgendwie eins. Aber sich den Golem jetzt in den prunkvollen Gründerzeit-Vierteln der Josefstadt vorzustellen, fällt dann doch schwer 🙂
      Viele Grüße
      Lutz

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  5. Wieder was dazu gelernt. Danke für die sehr interessante Geschichte zum Golem!

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    1. Gern geschehen Hedwig. Den Golem kannte ich zwar, aber die Legende in ihren Zusammenhängen war mir auch neu 🙂

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  6. Toll, Lutz. Die Golem-Geschichte und Deine Fotos dazu: eindrucksvoll – Du solltest mal einen Bildband zu Prag produzieren, und die vielen Geschichten dazu – vom Fenstersturz über den „Frühling“ bis zum Golem.

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    1. Danke Reiner, über einen Bildband (als persönliche Erinnerung) habe ich auch schon nachgedacht. Die Bilder zusammen mit den Geschicht/chen ergeben aber noch kein ganz rundes Bild. Die letzten Beiträge sind (m)eine persönliche eingefärbte Weise, wie ich Prag gern sehen möchte. Ein paar Facetten, die wir wegen der kurzen Zeit nur streifen konnten mehr möchte ich da aber ganz gern noch erfassen, bevor ich das dann in einen Bildband bringe.

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  7. Interessant! Die Figur des Golem kannte ich, aber nicht die Geschichte dahinter. Wieder dazu gelernt.

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    1. Ich wusste auch nicht, dass es da eine ganze Menge Versionen der Legende gibt. Die vom Rabbi Löw ist die Ur-Legende sozusagen. Bei Meyrink sieht das dann ganz anders aus.

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