Spreewald-Marathon 2008
Der erste offizielle Radmarathon
Ich bin bereits am Freitagabend mit dem Auto angereist. Den Platz auf dem Camp in Lübben hatte ich mir im März schon reservieren lassen und es ist auch alles ok. Trocken ist es zum Glück auch, aber kühl…
Im Laufe des Abends kommen noch mehr Leute auf dem Camp an, viele mit Rennrädern, meine Nachbarn kommen von der Küste, Bad Doberan, gegenüber welche aus Berlin…
Ich habe, bevor ich dann im Auto noch zwei Bierchen trinke, die Startunterlagen im Rathaus am Markt abgeholt, bin noch ein wenig gebummelt und habe die alt vertrauten Stellen an der Spree wieder entdeckt, wo wir vor vielen Jahren mit den Paddelbooten zum Neuendorfer See aufbrachen. Idyllisch ist das hier wirklich…
Kurzes Telefonat mit Dagi, dann Abendessen auf dem Camp und als es dunkelt, krieche ich in mein winziges Zelt, welches mir schon auf der Tour de Schweiz 2006 solch hervorragende Dienste geleistet hatte. Die Nacht ist kalt, aber im dicken Daunenschlafsack ist es angenehm warm. Nur die Aufregung und Spannung bescheren mir eine unruhige Nacht, so dass ich froh bin, als es endlich morgens halb sechs ist.
Samstag, 19.04.2008
Endlich ist es früher Morgen. In dem Zelt der Berliner rumort es auch schon. Ich stehe rasch auf, packe rasch zusammen, werfe alles ins Auto und fahre dann, der Zeltplatzwart hat mir den Torschlüssel gegeben, auf den benachbarten Parkplatz, wo ich der Einzige bin. Hier, in der aufgehenden Sonne, ja es scheint tatsächlich die Sonne (!), auch wenn es nur 3°C sind, frühstücke ich und baue dann das Rad zusammen.
Gegen viertel acht schwinge ich mich schließlich in den Sattel und radele gemächlich in die Stadt zum Marktplatz, wo sich allmählich die 200er-Fahrer sammeln. Fast alle sehen einschüchternd professionell aus, deren Waden haben den doppelten Umfang von meinen 😉 Auch die Frauen wirken sehr sportlich. Und die Profikleidung mit der ganzen Werbung und all die tollen Rennräder machen schon etwas her… Und dazwischen ich mit meinem Billig-Rad und den Penny-Klamotten. Na mäg…
Etliche sind im Verein angereist, die werden sicher das Tempo machen.
Pünktlich acht Uhr, alle sind vollzählig, eröffnet der Landrat mit „Auf die Gurke, fertig, los“ die Tour.
Im großen Pulk rollen wir nun durch die Straßen der Stadt, die Sonne scheint, der Wind weht augenblicklich angenehm im Rücken. Mein erster offizieller Marathon hat begonnen.
Ich habe mich sehr weit hinten einsortiert, versuche auch ständig, ein wenig Distanz zum Vordermann zu halten, die schlechten Erfahrungen vom LVZ-Fahrradfest-100er 2007 mit Holger sind immer präsent. Aber so bald sich eine Lücke auftut, rutscht ein Anderer hinein und so werde ich ziemlich weit nach hinten durchgereicht. Auch das Tempo von über 30 km/h für den Anfang ist mir eigentlich viel zu schnell. Doch dank des Rückenwinds spürt man das noch nicht so ausgeprägt.
Das Feld zieht sich lang auseinander, während wir nun nach Westen in Richtung Kasel-Golzig rollen. Und irgendwann reißt es in zwei Gruppen auseinander, die erste ist so schnell, dass wir sie bald verlieren, ich fahre immer noch am Ende der zweiten Gruppe und auch hier lassen bald die Ersten abreißen. Es ist eindeutig zu schnell. Leider hat man dadurch auch kein Auge für die schöne Landschaft ringsum. Und dann passiert, was einfach passieren muss, es gibt nach ca. 30 Kilometer kurz vor Golßen den ersten heftigen Sturz, drei Leute überschlagen sich und bleiben auf dem Feld liegen. Aber zum Glück ist denen offensichtlich nichts passiert.
Unsere Gruppe schmilzt ebenfalls auf ca. 15 – 20 Mann zusammen, die Führungsarbeit leisten nun hauptsächlich zwei Leute mit „Fichkona“-Trikots. Und die Beiden machen das wirklich gut, denn als der Gegenwind von Ost nun extrem spürbar wird, drosseln sie sofort das Tempo und nun läßt es sich in deren Windschatten sehr kräftesparend mitfahren. Als wir zum zweiten Mal, ungefähr 5 Kilometer vor Tropical Island die Autobahn Berlin-Cottbus queren, sammeln wir auch nach und nach abgesprengte und zurück gebliebene Fahrer der ersten Spitzengruppe ein. Und bei denen habe ich den Eindruck, dass sie selbst mit uns nun nicht mehr mithalten können, sondern abgeschlagen zurück bleiben. Und das schon jetzt nach knapp 40 Kilometern.
Tropical Island. Der erste Kontrollpunkt, 42,1 km. 9:30 Uhr. Ein gigantisches Bauwerk, schon kilometerweit über den Bäumen sichtbar, das sieht aus wie ein außerirdisches Raumschiff, welches hier, abseits aller Zivilisation mitten in der Pampa gelandet ist.
An Verpflegung und Getränken fehlt es nicht, alles ist hervorragend organisiert. Bananen, Äpfel, Spreewaldgurken, Wurst- und Käseschnitten, Apfelschorle, Tee, Wasser…
Und hier lösen sich nun auch die Gruppen allmählich auf, das Alleinfahren beginnt. Nach einigen Minuten mache ich mich also solo auf den Weg, nun führt die Route gen Schlepzig durch den nördlichen Spreewald, der Wald mit seinem frischen schüchternen Grün, die Sonnenlichter und die Spreearme machen einen paradiesischen Eindruck. Eine Gruppe überholt mich, bei der habe ich keine Chance, dafür aber komme ich bei dem Gegenwind in bewährter Übersetzung und Frequenz relativ mühelos an anderen Einzelfahrern vorbei. Kurz vor Groß Leuthen gelingt es mir, dann ein paar Kilometer im Windschatten einer Gruppe aus Dippoldiswalde zu bleiben.
Eurocamp Groß Leuthen. 69,22 km, 10:34 Uhr Hier laufen mehrere Routen zusammen, es sind zahlreiche Fahrer hier, etliche kommen mir auch schon wieder entgegen.
Nach der Pause und einem schönen Schmalzbrot sowie Spreewaldgurken geht es nun mit Kantenwind mehr oder weniger südwärts durch endlosen Wald. Briesensee, Alt Zauche, schön ist es hier, ich fahre einen recht guten Schnitt, bei günstigem Wind sind über 30 km/h drin. Aber die Beine spüre ich schon ein wenig. Da kommt mir die Fichkona-Gruppe, die mich bei Briesensee einholt, wie gerufen und nun kann ich von denen noch mal etliche Kilometer profitieren. Den 11-Kilometer-Umweg über Sacrow-Waldow müssen nur die 150er und 200er nehmen. Hier muss ich dann abreißen lassen, als die Anderen an einem langen sanften Anstieg bei Gegenwind das Tempo verschärfen.
Straupitz, Umweg durch den Ort, um zum Kontrollpunkt zu kommen. Hier großes Gedränge, aber die Verpflegung ist reichlich. Und die von den älteren Damen frisch gebackenen Hefeplinsen schmecken einfach lecker. Dazu ein Kaffee… Das ist ja die reinste Gourmet-Tour. Es ist 12:10 Uhr, 111,13 Kilometer stehen auf meinem Fahrrad-Computer.
Und als ich mich nach einer Viertelstunde wieder aufs Rad setze, hier beginnt nun für die 200er der große 60-Kilometer-Bogen über Lieberose, sind meine Beine bei dem straffen Ostwind doch recht schwer geworden. Die Straße ist dem Wind recht ausgesetzt, und dann im Wald lauern ein paar kleinere Hügel. Die Fichkona -Truppe überholt mich wieder, an denen kann ich schwer dran bleiben. Also muss ich nun wohl oder übel solo fahren.
Die Zahl der Fahrer hat sich nun drastisch verringert, eine andere Gruppe überholt mich noch, aber außer mir sehe ich keinen weiteren Einzelfahrer. Einige sind sicher weit hinter mir, etliche sind vor mir. Molchow, linkerhand sehe ich den Molchowsee, dann in Goyatz endlich der Abzweig und nun sind es noch ein paar leicht hügelige Kilometer bis Lieberose. Mir geht es im Augenblick nicht so toll, am Kontrollpunkt treffe ich auf die Anderen, ich kann im Augenblick nur trinken, habe auch so ziemlich mit mir zu tun…
Lieberose, 13:30 Uhr, 136,58 km
Und dann mache ich den Fehler, nichts zu essen. Ich fahre schon nach wenigen Minuten Rast weiter, damit verringert sich zwar der Abstand zu den beiden Gruppen, aber mit meiner Energie ist es auf dem folgenden Abschnitt nicht so gut bestellt. Zum Glück weht der Wind nun von der Kante, damit rolle ich immerhin noch mit einem 27er Schnitt dahin, muss aber an den sehr moderaten Anstiegen herunter schalten. Und als ein wesentlich älterer, aber vollkommen drahtiger und durchtrainierter Fahrer locker an mir vorbei zischt, kratzt das schon ein wenig an der Ehre.
Bundesstraße, diese führt über ein merkwürdiges Heide-Hochplateau, welches ca. 50 Meter höher als der Spreewald liegt. Und kurz vor Turnow geht es nun schließlich wieder gen Westen, ein Schild „Burg 14 Kilometer“ erschüttert mich zwar ein wenig, ich erwarte nun sehnsüchtig den nächsten Kontrollpunkt, der Körper ist müde geworden und damit kann ich leider den schönen Rückenwind auch nur bedingt auskosten. Drachhausen, endloser Wald, Fehrow, Schmogrow, wir sind wieder im Spreewald.
Burg, Volksfeststimmung…
Der vorletzte Kontrollpunkt, Trinken, Bananenstückchen, Apfel, Gurken… Rasch geht es mir jetzt wieder besser. 14:58 Uhr, 172,28 km Sooo weit ist es nun tatsächlich nicht mehr.
Und als ich beim Weiterfahren doch noch merke, dass ich ziemlich gut auch mit anderen Fahrern kürzerer Strecken mithalte, gibt das auch psychisch wieder Auftrieb. Erstaunlich ist auch, dass also auch andere 200er nicht schneller sind, ich begegne manchen Gesichtern immer wieder. Nun rollen wir also recht entspannt in Richtung Vetschau, die Spreearme um Burg und Leipe sind mir von 1990, unserer ersten Paddeltour noch wohlbekannt. Quer durch die ehemalige Tagebaulandschaft um Lübbenau… Am letzten Kontrollpunkt in Lübbenau sehe ich, wie eine Rostockerin abbrechen muss. Die hatte ich auch auf der 200er Strecke immer mal wieder gesehen, nun kann sie kaum noch laufen.
Ich verzichte hier auf Verpflegung, bis Lübben sind es nur noch 13 Kilometer. Und die führen auf einem Damm an der Spree entlang. Schnell fahren ist nicht mehr, viele Familienradler sind hier auch unterwegs. Aber wozu auch? Es ist fast geschafft.
Allmählich erreiche ich nun Lübben, die letzten Kilometer waren noch einmal ein Genuss.
Lübben, nun wieder Straße, das Zentrum ist schnell erreicht und ca. 16.40 Uhr rolle ich mit zwei anderen 200ern durchs Ziel.
Ein paar Mädchen in Spreewaldtracht empfangen uns, nach kurzer Frage, welche Strecke wir hatten, hängen sie uns schwergewichtige goldene Gurken um. Dafür hat sich das doch nun tatsächlich gelohnt! Schön war es und nett ist diese Begrüßung hier auch. Die Veranstalter haben sich etwas einfallen lassen.
Urkunde abholen – dann löse ich noch den Nudel-Gutschein ein, Nudeln, Hühnerfleisch, Champignons… Das tut richtig gut. Und so kehren auch die Kräfte rasch wieder.
Ein gelungener Abschluss..
Streckenlänge: 212, 26 km, Fahrtzeit (netto): 7:49:04 Std