Wind-Fahrt in die Oberlausitz 2013
Man nehme ein wenig Kälte am Morgen, so knapp unter 0°C, dazu eine Dauer-Brise Wind von Südost, Stärke 4 genügt, das bläst so schön auf den freien Flächen und als kleines Sahnehäubchen ein paar Sturmböen Stärke 7 frontal oder seitlich, bei denen man man sich mal so richtig an den Lenker krallen darf.
Und schon wird aus der Genussfahrt ein wahrer Hammer, bei dem jeder Spaß aufhört.
Dabei waren die Hoffnungen auf eine Herbsttour bei Sonnenschein und herrlichster Laubfärbung vor den Kegelbergen der Lausitz so groß.
Freitag, 04.10.2013
In der Nacht vor der Tour habe ich kaum geschlafen, ich war absolut nicht müde. Zudem kreisten die Gedanken um die Route. Sollte ich in der Dunkelheit am Morgen besser die ruhige Variante durch den Wald über Zeititz oder die B6-Variante über Machern wählen?
Wie stark würde der Wind sein? In der Lausitz waren stürmische Böen von Südost angesagt. Wäre es besser, vielleicht im Zug bis Riesa zu fahren und dann erst aufs Rad zu steigen?! Die Tour in entgegengesetzter Richtung hatte ich verworfen – wenn ich mit dem Zug bis Zittau fahren würde, wäre ich erst halb neun dort – ziemlich spät für eine längere Tour. Zudem wäre es a) – weil zu früh -> kein Sachsen-Ticket – wesentlich teurer und b) wollte ich die sich steigernden landschaftlichen Höhepunkte während der Fahrt genießen.
Halb fünf, nach zwei Stunden Schlaf, stehe ich dann endlich auf.
Kalt ist es, finster ist es… 05.12 Uhr geht es los. Alles ist vorbereitet, so beschränkt sich jetzt das Ganze nur auf die nötigsten Verrichtungen.
Ich habe nun doch die Variante Bundesstraße B6 gewählt. Bis Machern ist das auch kein Problem, da gibt es einen guten Radweg. Aber von Machern bis Bennewitz erwartet mich dickster Berufsverkehr.
Sehr unangenehm, ich bin hier (hoffentlich ausreichend gut beleuchtet) ein gewisses Hindernis – das gibt den ersten stimmungsmäßigen Dämpfer heute. Ab Bennewitz wird es aber dann ruhiger und entspannter.
Kurz vor 6 Uhr ist schon die Mulde überquert, Wurzen, dann rollt es auf kleinen Straßen über Dornreichenbach bis Dahlen recht gut.
Abgesehen von der Kälte, die Wiesen sind reifbedeckt, fühle ich mich augenblicklich recht wohl… Im Osten zeigt sich schon die Morgendämmerung, bei Oschatz geht endlich die Sonne auf, das lässt auf etwas mehr Wärme hoffen. Der Südostwind, der bis dahin nur schwach wehte, frischt aber nun zunehmend auf, ist jedoch immer noch eine Weile ganz gut auszuhalten.
Riesa, Baustelle, dank „Armin“ ist es jedoch kein Problem, sich hier irgendwie durchzuwurschteln und bis zur Elbebrücke zu kommen. Kurz nach 8 Uhr überquere ich die Elbe.
Nun weiter in Richtung Nünchritz – hier auf dem Elbedeich weht es schon ziemlich heftig. Aber was solls – die Sonne scheint, es gibt kaum Wolken, das Licht ist klar und die Farben intensiv. So wie gewünscht…
Die erste Rast mache ich nun im Dörfchen Moritz am Fluss (08:30 – 08.40 Uhr, 70,06 km, 2:55:59 Std.).
Von Nünchritz geht es hinüber nach Großenhain. Da ich nicht richtig auf die Karte gesehen habe und keine Ahnung habe, wo mich die Radwegweiser hin schicken wollen, drehe ich eine kleine Ehrenrunde und darf den bösen kleinen Stich am Ortsausgang zweimal absolvieren.
Danach sehe ich nicht mehr allzuviel von der ohnehin recht öden Landschaft mit ihren riesigen Feldern. Der nun frontal von vorn wehende Wind wird immer stärker und ich mache mich immer kleiner hinter dem Lenker. Wegducken, dem hässlichen Gebläse so wenig wie möglich Angriffsfläche bieten…
Großenhain – und weiter südostwärts gen Radeburg. Die Entfernungen sind nicht so riesig, aber da ich nun schon auf 19 km/h ausgebremst über die Straßen schleiche, dauert es eine Weile, ehe ich dort ankomme. Nun wird es landschaftlich auch etwas schöner. Es ist 10 Uhr, die ersten 100 km sind absolviert. Hinter Ottendorf-Okrilla mache ich die nächste Pause (10:45 – 10:55 Uhr, 115,98 km, 4:58:42 Std.), dann geht es erstmals richtig bergauf nach Radeberg.
Der Wind weht permanent heftig, dazwischen stark böig von vorn oder von der Seite – Klasse.
Radeberg – die Durchfahrt ist kein Problem, bis Arnsdorf fährt es sich nun wieder nur im Schleichtempo. So richtig Spaß macht das gerade nicht und auch als ich ein paar Kilometer weiter auf kleiner Straße östlich an Stolpen vorbei strample, habe ich keinen Blick für die stattliche Burg. Allmählich setzt sich auch ein Gefühl von Zeitdruck im Nacken fest. Wenn ich so langsam weiter fahre, ist die Tour bis Zittau überhaupt zu schaffen? Es sind nach Planer noch ca. 70 bis 80 Kilometer, das ist nicht weit, unter normalen Umständen sind die in 3 Stunden zu schaffen. Aber nach Heeselicht geht es nun stetig wieder bergauf, im Osten sehe ich schon den Unger, ich muss, die Kräfte lassen einfach zu stark nach, eine kleine Pause einschieben, dann drückt mich der Wind plötzlich mitten auf die Straße und ich kann nix dagegen tun.
Oberhässlich! Gibt es da nicht auch ein Dorf gleichen Namens in der Dresdner Umgebung?
Heeselicht – vorbei am „Erbgericht“ und bergauf. Mit unserer Gruppe war es zum letzten Jahreswechsel doch eine wirklich schöne Wanderung hierher.
Das Polenztal, tief eingeschnitten, relativ moderat geht es aber auch wieder hinaus, nach Cunnersdorf. Wenn nur der Wind, der mich von oben den Berg wieder herunterdrücken will, nicht wäre! Windstärke 3-4 soll das sein?
Als sich schließlich von der Höhe oben der herrliche Blick bis hinein in die Sächsische Schweiz weitet, bin ich nahe daran, die Route spontan zu ändern und über Hohnstein nach Bad Schandau und von dort mit ein wenig Rückenwind an der Elbe entlang nach Dresden zu fahren.
Übrigens sehen die Fotos von hier oben schön verwackelt aus, bei den Böen kann man einfach nicht still halten.
Ich weiß nicht, was mich plötzlich treibt, nach der kurzen Überlegungspause nun doch nach Ehrenberg hinab zu rollen. Drüben der Unger, unweit ist Krumhermsdorf – bald ist es wieder so weit…
Und nun, im Tal ist es windgeschützt, fährt es sich plötzlich wie von allein. Nur der Stich nach Ulbersdorf hinauf macht mir mit meinen nur noch sehr begrenzten Restkräften etwas zu schaffen. Also Pause oben!
(13:34 – 13:45 Uhr, 161 ,42 km, 7:21:36 Std.)
Der Tanzplan sieht gewaltig aus, eigentlich ist es sehr schön hier.
Ins Sebnitztal hinab gibt es anschließend eine schöne Schussfahrt, dann bin ich Minuten später in Sebnitz, mit „Armin“ ist die Durchfahrt schnell erledigt.
Ein Blick auf die Uhr, 14:06 Uhr überquere ich die Grenze nach Dolni Poustevna nach ca. 170 Kilometern.
Böhmen – die Gartenzwergbuden…
Wind ist jetzt wenig. Ein Glück – nun kann ja auf den letzten 45 Kilometern in knapp drei Stunden nicht mehr viel passieren. Unter besseren Umständen würde ich nun sicherlich auch diesen Anstieg etwas entspannter hinauf fahren können.
Bis Vilemov geht das gerade so noch gut. Doch am Ortsausgang von Vilemov steige ich dann doch lieber ab und schiebe den für mich jetzt zu steilen Berg hinauf. Ich kenne mich und die entsprechenden Signale, die der Körper aussendet. Krämpfe will ich keine riskieren.
Oben langsam weiter, Mikulasovice – Nixdorf, lang gestreckt, die Straße steigt immer noch permanent an. Wieder spüre ich, wie die Kräfte dermaßen nachlassen, dass ich kaum vorwärts komme. Westlich der Höhenzug Wachberg-Tanzplan…
Kurze Pause – Trinken…
Weiter, wieder nur wenige Kilometer Schinderei, an einer Kapelle auf einer Wiesenanhöhe im Wald die nächste Pause. Hier ist es nun so, wie ich mir es wünschte, buntes Laub an den Bäumen, Kühe auf derWiese, Berge. Böhmische Idylle.
Aber im Augenblick geht es mir nur darum, irgendwie noch ein paar Körner zusammen zu kratzen, damit ich hier weiter komme. Eigenartigerweise geht es mir nicht schlecht oder elend, es ist einfach nur keine Kraft mehr da. Vermutlich machen sich aber nun auch die schlafslose Nacht und der Magen-Darm-Infekt der letzten Woche noch bemerkbar.
Das Powergel, das schon seit Jahren sein nutzloses Dasein im Schrank fristete, bringt nun tatsächlich so etwas wie ein wenig Schwung. Mir ist zwar bewusst, dass der nicht lange anhalten wird, doch ein Stück weiter komme ich nun sicher. Aber der Blick auf die Uhr und die Hochrechnung anhand der letzten Stunden lässt nun berechtigte Zweifel aufkommen, ob der Zug 17.21 Uhr in Zittau zu schaffen ist. Schade eigentlich, dieser Druck…
Vielleicht ist es wirklich besser, künftig zuerst den Zug zu nehmen, um diesen Zeitdruck zu vermeiden. Mit ein wenig mehr Zeit gäbe es keine Frage. Aber mit dem nächsten Zug wäre ich erst Mitternacht zu Hause. Das will ich auch nicht. Also entschließe ich mich, nicht über Krasna Lipa an Jedlova und Tolstejn vorbei zu fahren, sondern über Rumburk hinüber nach Neugersdorf zu wechseln. Das sind 15 Kilometer weniger, das wäre noch gut zu schaffen.
Dank des „Klebstoffs“ rollt es plötzlich nach Brtnicky – Zeidler wunderbar.
Der Wolfsberg – Vlci Hora, stattlich, sehenswert, dann ein Steilstück Schieben auf den nächsten Berg. Ich traue den 12%-Schildern nicht – das hier könnten gut und gern auch einige Prozente mehr gewesen sein. Nun locker weiter nach Rumburk über die Höhen… Im Süden zeigen sich die Kuppen von Jedlova, Finkenkoppe und Lausche über der Anhöhe. Schade – wirklich.
Ich weiß nicht, ob ich mir die Anfahrt über Großenhain noch einmal antun möchte, da gibt es sicher auch elegantere Möglichkeiten, aber dort hin, in diese herrliche Berglandschaft will ich auf jeden Fall wieder einmal.
Rumburk – kein städtebauliches Highlight, dann kurbele ich noch ein Stück aus der Stadt heraus, nehme mir die Minuten, um noch einmal zu den Lausitzer Bergen hinüber zu schauen und zu fotografieren, ehe es nach Osten aus Böhmens Schluckenauer Zipfel wieder hinüber nach Deutschland geht. Neugersdorf gegen 15:45 Uhr.
Nach kurzer Abfahrt kehre ich im ersten Edeka-Markt an der Straße ein. Eine Cola, ein Hefeweizen und eine Tüte Haribo… Dazu vom Bäcker ein Stück Torte und kurze Unterhaltung mit einer älteren Dame, die offensichtlich jeden Tag hier verbringt und ihre Späßchen mit den Leuten macht.
Der Bahnhof ist auch nicht mehr weit.
Nach „Armin“ sind es nun 195 Kilometer, nach Fahrradcomputer 200,95 km. Aber völlig egal.
Nach den ersten Schlucken aus der Cola-Flasche sind plötzlich längst verloren geglaubte Lebensgeister wieder da.
Beim Blick auf den Fahrplan stelle ich fest, dass ich sogar einen Zug früher erwische – die Schaffnerin auf der Fahrt nennt mir den Anschluss in Dresden, da bin ich eine Stunde eher zu Hause. Auch nicht schlecht.
Nach Dagis SMS gibt es Nudeln! Klasse – genau das Richtige heute nach dieser (Tor-)Tour!
Wäre da nicht doch noch Zittau gegangen? Schwer zu sagen. Ich kann mich nicht erinnern, in den letzten Jahren kräftemäßig so eingebrochen zu sein. Das letzte Mal muss 2007 gewesen sein.
Dieses Mal habe ich es zumindest insofern richtig gemacht, auf den Körper zu hören und rechtzeitig gegenzusteuern. Nur so ist es gelungen, dass es mir jetzt im Prinzip sehr gut geht.
Schön war es nicht – aber selten. Und vor allem! Gleich gibt es Nudeln 🙂
202,50 km, 9:34:25 Std., 2100 Höhenmeter