Freitag, 31.10.2014
6.15 kann es losgehen.
Der Wind ist anfangs noch zu vernachlässigen, auf den ersten Kilometern rollt es richtig gut. Im Osten glüht ein breiter roter Streifen, die ersten Sonnenstrahlen des heutigen Tages, es wird zum Glück heute auch ziemlich rasch hell. Nachdem Liebertwolkwitz und Markkleeberg hinter mir liegen, geht es nun durch die ausgedehnte Neue Harth südlich von Leipzig. Die Gegend ist absolut einsam, hoffentlich bleibt mir auch die Begegnung mit Wildschweinen erspart.
Zwenkau nach ca. 25 Kilometern ist nach einer reichlichen Stunde erreicht. Leider ist der Weg am neuen See entlang noch nicht durchgehend bis zur Stadt asphaltiert, so dass ich auf die Bundesstraße ausweichen muss. Aber heute ist Reformationstag, Feiertag, es sind kaum Autos unterwegs und von Zwenkau bis Groitzsch führt dann ein ganz toller neuer Radweg vermutlich auf einer alten Bahnstrecke entlang, auf dem es sich wieder hervorragend fahren lässt. Das entschädigt dann gleich wieder.
Der Wind, aus Süd wird nun mit aufsteigender Sonne allmählich etwas kräftiger, das bremst etwas. Aber Zeiten und Geschwindigkeiten müssen heute nicht getoppt werden, es ist der Saisonabschluss, der soll schön und entspannend, einfach ein gutes Erlebnis werden.
Außerdem ist es viel schöner, auch einmal zwischendurch zu halten und ein paar Fotos zu machen.
Zwischen Zwenkau, Groitzsch und Zeitz bieten sich allerdings noch nicht allzuviele Gelegenheiten dafür, erst kurz vor Zeitz sind die sozialistisch-realistischen Mosaike an einem Kulturhaus einen Stopp wert.
In Zeitz schickt mich „Armin“ quer durch die Innenstadt, das bedeutet ein paar gratis Kopfsteinpflasterpassagen, nun gut, jetzt bin ich wirklich wach.
Danach folge ich dem Elsterradweg. Und nun wird es im Elstertal auch landschaftlich schöner.
Ein paar Kilometer hinter Zeitz (ca. 62 km) mache ich die erste Rast. Das Live Tracking scheint zu funktionieren, nachdem meine Mädels die Seite erfolgreich „refresht“ haben, können sie auch sehen, dass ich schon weiter als bis Liebertwolkwitz gekommen bin. Und Volker aus der Stadt am See ist dankenswerterweise ebenfalls wieder live mit dabei. Auch heute ist es beruhigend, sich so intensiv beobachtet zu wissen. Dann sollte ja nix schief gehen.
Im Regen – wo kommt jetzt dieser Regen her (?!) – der war doch gar nicht angesagt, rollt es etwas langsamer gegen den Südwind bis Crossen und von dort dann ins Mühltal hinein.
Zum Glück war das nur ein Schauer, bald ist die Sonne wieder zu sehen. Und so wird die Auffahrt durch das kilometerlange Mühltal bis Bad Klosterlausnitz und Hermsdorf hinauf heute das erste schöne Ferienerlebnis.
Dank „Armin“ ist auch der weitere Weg unter der A9 hindurch in den Zeitzgrund nicht zu verfehlen. Die Abfahrt bis Stadtroda ist sehr lang, allerdings mehr für Trekking- oder Corssräder geeignet, weil stellenweise doch recht schlammig…
Die Sonnenlichter im bunten Herbstlaub der Wälder des Holzlandes, der rauschende Bach sorgen ganz nebenbei für eine stark zunehmende gute Laune.
Stadtroda, hier geht es auf gutem Radweg weiter hinab ins Saaletal, dessen Berge schon ganz nah zu sehen sind. Auch die Plattenbauten von Jena-Lobeda sind nicht mehr weit. Das ist wieder Idylle pur – das Wetter, die knalligen Herbstfarben, die sanften Höhenzüge. Dann erreiche ich das Saaletal. Der Saaleradweg vermeidet die Bundesstraße und führt auf kleinen Nebenstraßen und geschotterten Wegen immer in der Nähe des Flusses bis Kahla. Kurze Rast in Rothenstein beim km 115, die Kirche ist sehenswert.
Es ist Mittagszeit, über die Hälfte heute sollte das schon sein, auch wenn mir bewusst ist, dass der Spaß in den Thüringer Bergen jetzt erst so richtig los geht. Wohl auf Grund des Tals weht der Wind hier dummerweise auch verstärkt. Was tun? Auf den Stundenschnitt achten, mehr Kraft aufwenden und sich schlimmstenfalls schon frühzeitig fertig machen oder sich gelassen auf die Bedingungen einstellen und damit in Kauf nehmen, eben etwas später abends anzukommen. Hmmm, der Tisch in der „Linde“ ist für 19 Uhr bestellt, die Klöße rufen schon…
Eindrucksvoll erhebt sich über die Berghänge am Ufer die etwas höhere Kuppe mit der Leuchtenburg und auch der Kalksteinbruch kurz vor Kahla am Ufer der Saale ist ein paar Fotos wert.
Die Straße von Kahla über Reinstädt hinauf nach Lengefeld ist von 2008 noch bekannt. Schön ist von hier der Blick auf die Leuchtenburg, recht angenehm ist auch, dass sie nur gaaaanz allmählich an Höhe gewinnt. So kann man zunächst recht sorglos ein paar Höhenmeter sammeln.
Das Fatale aber heute ist, dass die Form nicht mehr mit der im Sommer vergleichbar ist und ich nach und nach immer langsamer werde. Doch auch dieses Tal mit seinen Kalkbergen ist sehr schön, die Sonne scheint, was solls, dann muss ich mir eben die Zeit nehmen…
Bis Lengefeld hinauf sind es 19 Kilometer, es ist kaum zu fassen, es ging auch die 19 Kilometer lang nur bergauf. Zwischenfazit – lieber ein paar kürzere knackige Anstiege als solch ein endloses „Leiden“.
Die Straßenqualität wechselt vom normalen zu groben und löchrigen Asphalt, das bremst scheinbar zusätzlich, dazu kommen noch kleine Hindernisse in Form von quer über das Sträßlein gespannten Absperrbändern, weil hier wochentags der Wald gefegt, bzw. Bäume gefällt werden.
Hochdorf (ca. 140 km), wo dann im Bushäuschen erst einmal kurze Pause und ein Power-Riegel angesagt sind, liegt auf 440 Metern Höhe.
Nach Krakendorf geht es anschließend mit Schussfahrt wieder abwärts bis ins Ilmtal.
Es ist sicher mal eine interessante Sache, zu erforschen, welchen Ursprung manche Ortsnamen haben. Kraken – hier mitten in Thüringen??? Oder Türkendorf in der Lausitz – na vielleicht gab es mal vor ein paar Jahrhunderten einen Zeitpunkt, an dem sich Leute osmanischer oder arabischer Herkunft da niederließen… Doch wie könnte zum Beispiel „Aitersteinering“ in Bayern entstanden sein?
Auf der Abfahrt kam mir ein freundlich grüßender Rennradler entgegen, der sah bergauf wesentlich fitter aus als ich bergab und ähnelte Marcel Kittel. Wäre ja gar nicht mal so abwegig, er kommt doch aus Arnstadt.
In Tannroda bin ich im Ilmtal, von hier bis Kranichfeld sind es nur 4 Kilometer. In Kranichfeld dann kurzer Stopp. Auf der ALDI-Karte sind auf der geplanten Route oberhalb von Hohenfelden zwei schwarze Dreiecke zu sehen. Ah ja – das bedeutet laut Legende einen längeren Anstieg über >7%. Wenn ich die Route aber ändere und südwärts bis kurz vor Stadtilm im Ilmtal bleibe und von dort nach Arnstadt hinüber wechsle, könnte ich so einen Berg (vielleicht) vermeiden. Aber die ALDI-Karte ist nicht 100%ig zuverlässig. Natürlich könnte auch hier ein unangenehmer Stich lauern. Also doch lieber über Hohenfelden. Lieber mal kurz und heftig als lang und elend – die Erfahrung habe ich ja eben machen dürfen.
In der Tanke am Abzweig nach Hohenfelden gibt es auf jeden Fall erst einmal eine Cola – Doping für die nächsten Kilometer. Und wie erhofft, so bringt die auch den richtigen Schub, um zunächst bis zum Stausee hoch und dann weiter aufwärts zu kurbeln. Die Straße bis zum höchsten Punkt ist schon von hier unten in voller Länge und Schönheit zu sehen. Aber – wie so oft, steckt man einmal im Anstieg drin, ist alles halb so wild, 8% stehen geschrieben, das geht schon. Auch wenn es mir in meiner mickrigen Saisonende-Form etwas steiler vorkommt…
Aber dann! Oben auf der Höhe öffnet sich ein weiter Blick. Der Thüringer Wald ist zu sehen. Die Sonne und die Wolken zaubern pastellfarbene Lichter auf die Bergkulissen, Nebelwolken ballen sich in den Tälern und um die höheren Gipfel… Dort unten die Hügel mit den Burgruinen der Drei Gleichen, die Häuser von Arnstadt. Keine Frage – dafür hat sich die Fahrt hierher wirklich gelohnt.
Bis Arnstadt hinunter rollt es nun wieder sehr schnell, da ist die überhohe Brücke über die A71 und die ICE-Strecke, auf die Pause am Bushäuschen (ca. 177 km) verzichte ich dieses Mal, es ist ungefähr halb vier. Ich umgehe die Stadt nördlich durch die Gewerbegebiete und fahre anschließend auf etwas anderer Route als im letzten Jahr direkt in die Drei Gleichen hinein.
Und wie es so ist, von oben sieht das alles ziemlich flach aus, hier unten aber auf teilweise arg schlechtem Asphalt schleichen sich doch einige fiese Antiege ein. Etwas ausgebremst geht es so zwischen Wachsenburg und Burg Gleichen hindurch und an der Mühlburg vorbei bis Mühlberg.
Und hier ist auch die Stelle, wo wir damals, vor nzich Jahren in dieser tollen Planwagenburg schöne Ferientage erlebten.
Mühlberg, weiter, dieses Mal direkt an der A4 auf einem Radweg entlang nach Wechmar und hinüber nach Schwabhausen. Es dämmert, irgendwo verkündet eine Kirchenglocke, dass es 16.45 Uhr ist. Upps… Doch schon so spät?! Da habe ich ja von Arnstadt richtig lange bis hierher gebraucht.
Nach Emleben geht es nun wieder aufwärts, irgendwo ist mir plötzlich die Lust aufs Radeln verloren gegangen. Na ich hoffe, ich finde die gleich wieder… Drüben der Inselsberg im rötlichen Abendlicht, der wirkt riesig umgeben von Nebel- oder Dunstschwaden. Ein toller Anblick.
Und nun geht es doch wieder zügig, bis Schönau vor dem Walde, auch hier gibt es parallel zur stark befahrenen Straße einen prima Radweg quer über die Felder. Und plötzlich ist man im Leinatal mitten im Thüringer Wald. Es wird dunkel, auf den Straßen in den Dörfern sind Gruppen von Kindern und Erwachsenen unterwegs… Stimmt, heute ist ja Halloween…
Engelsbach, die Kreuzung an der Hauptstraße, dann unmittelbar darauf das Ortsschild „Finsterbergen“. Gleich!
Eigentlich hatte ich mir nun vorgenommen, am letzten Berg in den Ort hinauf abzusteigen und zu schieben… Doch die Baustellenampel, die mir einen Vorwand zum Anhalten liefern könnte, ist weg. Also kann ich ebensogut weiterkurbeln. Kleines Blatt, möglichst großes Ritzel – na bitte geht doch – fast…
Der rechte Oberschenkel meldet sich. Stopp – sonst Krampf… Klasse. Sehr bereitwillig gebe ich der Forderung meines Beins nach und schiebe doch noch ein kleines Stück, ehe ich dann am Hüllrod wieder aufsteige und gemächlich zum Campingplatz weiter fahre.
Es ist mittlerweile finster hinter den finsteren Bergen in Finsterbergen, es ist tatsächlich 17.45 Uhr. Das ist spät, später als im letzten Jahr.
Aber die Tour war heute mit 216,24 km auch ein Stück länger.
Im Bungalow brennt Licht… Prima – gemütlich – das Ankommen ist das Schönste an solch einer Fahrt.
Fast das Schönste – der Blick vorhin auf den Thüringer Wald, die bunten Wälder im Holzland… Es war heute schön.
Nur meine Mädels stellen fest, dass ich etwas fertig aussehe. Richtig, ich habe im Augenblick kein richtiges Hungergefühl – käme jetzt jemand mit Wurstbrot, würde das meinen Magen vermutlich zu einer unkontrollierbaren Gegenreaktion nötigen.
„Wir können ihnen heute auch Ente empfehlen.“ meint die freundliche Kellnerin etwas später in der „Linde“…
Ente?! Klöße, Rotkohl?! Dazu ein Hefe ohne?!
Klar doch!
Ente gut – alles gut!