Alpe-Adria 2022 (4)

10.09.2022 – St. Johann im Pongau – Obervellach

Die Sonne scheint. Zwar ist es noch stark bewölkt, doch durch die Lücken blinzelt Sonnenlicht. Kühl ist es, nur 10°C, aber egal. Die Socken und Schuhe sind noch feucht. Egal, die trocknen an den Füßen beim Fahren.
Taschen abgeben, Frühstück und Abfahrt.
Wir rollen leicht bergab aus dem Ort zur Salzach hinunter. Zunächst geht es angesichts der herrlichen Bergwelt ringsum flach weiter den Fluss hinauf. Die Stimmung ist bei diesem Wetter und der Szenerie leicht euphorisch, Bergetappe, steile Anstiege, was soll uns da aufhalten?
Schwarzach, bis hierher war es flach und schön. Nun wird es nicht mehr flach – aber auch noch schön.
Da ist die erwartete Rampe, eine kleinen Straße führt direkt himmelwärts, ein Stück geht kurbelnderweise noch, dann muss geschoben werden. Die liebe Reisegefährtin auf dem E-Bike fährt schon mal vor und wartet oben.
Von dort oben gibt es bald einen schönen Blick ins Tal tief unter uns. Und es folgt ein ständiges, regelmäßig steiles Bergauf und Bergab.
Schieben muss man nun nicht mehr, aber man spürt, wie allmählich die Körner auf der Strecke bleiben. Lange ist das nicht mehr durchzuhalten. Aber – das war klar, dass das heute kommt und irgendwie schaffen wir das. Die Berge ringsum lenken ein wenig von der Schinderei ab. Auch der italienische Bio-Radler mit seiner deutschen Frau auf dem E-Bike, die Konstellation hatten wir schon mehrmals, der mich fragt, wie ich denn diese Anstiege hier hochkomme, muntert auf. Er schwitzt ebenso wie ich, tröstlich.
Dann der Zugang ins Gasteiner Tal, die Talstraße samt Radweg wurde bei einem Bergrutsch verschüttet, also müssen wir, durch eine Betonwand gut geschützt zusammen mit dem Autoverkehr durch insgesamt 1,7 Kilometer Tunnel, immer schön leicht aufwärts.
Das Dröhnen und Donnern der Fahrzeuge nebenan ist eine interessante Erfahrung, man muss das aber nicht unbedingt immer haben.
Nach ca. einem Kilometer spürt man dann auch, dass die Luft allmählich zu viele Abgase enthält und ist froh, wieder das Tageslicht im Gasteiner Tal zu erblicken.
Deshalb gönnen wir uns danach eine Radler-Rast auf einer sonnigen Terrasse, ehe wir dann sanft im Tal gen Hauptkamm rollen.
Bad Hofgastein, kurzer Einkauf von Schokoriegeln als Nothilfe, in Bad Gastein ist etwas los, aber die sperren nicht wegen uns ab.
Dann wird es richtig heftig.
Inzwischen ist der Himmel wieder bedeckt, ab und zu gibt es ein paar Spritzer Regen, die Herren-Truppe schiebt, wir überholen sie gerade noch, aber in Bad Gastein auf dem Sträßchen zum weltberühmten Wasserfall hinauf ist dann auch für mich Schluss mit Fahren. Das geht gar nicht mehr.
Im Schweiße meines Angesichts, irgendwie ist es auch noch merkwürdig schwül, bewege ich mich aufwärts, die liebe Reisegefährtin hat es mit dem E-Bike leichter, obwohl bei der Steilheit auch das Anfahren auf dem Berg nicht einfach ist. Und aus Solidarität hier das schwere E-Bike schieben ist ein Ding der Unmöglichkeit.
Der Wasserfall ist DAS Fotomotiv, der Ort selbst, grandiös pompös, aber einige der Prunkbauten haben schon bessere Zeiten erlebt. Ein Urlaub hier wäre nicht so unsere Sache.
Es beginnt zu regnen, wir begegnen dem niederländischen Paar wieder, die Frau hat sich wohl mit Kuchen den Magen verdorben, „I hate cake“ ist ihr Spruch, als sie sich mit dem Rad aufwärts quält.
Nicht aufhalten, nicht warten, nun wird es kühler, sehr nass, bis Böckstein zur Bahnverladung durch die Tauernschleuse ist es nicht mehr weit.
Noch eine Begegnung mit einem Rennradfahrer, der mich anhält und Fragen zum Bahnhof oben hat, die ich aber auch nicht beantworten kann, schnell, schnell, der nächste Zug kommt bald und eine Stunde im Regen warten wollen wir nicht.
Oben an der Rampe, durch die Wolken blinken schneegepuderte felsige Grate der Ankogelgruppe, eine große Meute von Radlern. Der Zug rollt ein und mit viel Gedränge, Geschiebe und Tohuwabohu geht es in den Fahrradwagen, es gibt keinerlei Logik beim Einsortieren, die Ersten bleiben gleich vorn am Einstieg die Letzten müssen an den Rädern vorbei drängeln und hinten einparken. Aber irgendwann ist das geschafft und es geht los. 10 Kilometer Tunnel in wenigen Minuten, das erspart uns die Überquerung des Hauptkamms in ca 2500 m Höhe. Bei uns ein älterer österreichischer Herr in flotten Klamotten, der uns ausfragt und auch Grado sehr empfiehlt.
Also alles in allem ist das eine unterhaltsame Fahrt, bis es in Mallnitz auf der Südseite wieder hell wird und der Zug langsam in den Bahnhof einrollt.
Dasselbe Tohuwabohu gibt es nun beim Aussteigen, doch auch das ist bald Geschichte, die Schnellen sind schon bergab unterwegs, wir machen noch ein paar Fotos, eher wir auf den nächsten 8 Bergab-Kilometern erst auf Serpentinen dann schnurstracks geradeaus die Scheibenbremsen arg strapazieren müssen. Die Bundesstraße aber ist ruhig, wenn Autos kommen, kommen sie erst mit dem nächsten Zug in einer Stunde.
Hier in Kärnten, auf der Südseite des Alpenhauptkammes scheint durch die Wolken wieder Sonne, allerdings sind südlich von uns dicke Quellwolken zu sehen und es grummelt einige Male.
500 Meter verlieren wir an Höhe, es geht von 1200 Metern auf 700 Meter hinab, bis wir Obervallach und inmitten des Ortes den Landgasthof Pacher erreichen. Aus den Fenstern schauen wohlbekannte Radlergesichter, drinnen an der Rezeption drängen sich wohlbekannte Radler und alle bestellen das angebotene Abend-Menü. Viel mehr Möglichkeiten wird es hier im Ort nicht geben und zum Suchen haben wir heute auch keine Lust. Das Menü, welches uns dann im Anschluss geboten wird, ist vorzüglich, einschließlich des sehr reichlichen Büffets vorher. Einfach lecker.
Vollkommen gesättigt nutzen wir im Anschluss noch die Chance des fast wolkenfreien Himmels und fotografieren am nahen rauschenden Gebirgsfluss den Sternenhimmel.
Ein guter Tag war das, die erste Hürde ist geschafft.
Und morgen geht es 70 km lang immer nur bergab, ein „Ruhetag“ quasi.

Tourlänge heute 56,29 km

10 Kommentare zu „Alpe-Adria 2022 (4)

  1. Ich hab jetzt ein leichtes Ziehen in den Beinen, vor allem in den Waden, so sehr bin ich dank deines sehr interessanten Textes und der guten Bilder mit euch mitgestrampelt… 😉

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    1. Vorsicht, nicht übernehmen, es geht noch ein ganzes Stück weiter 😉

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  2. Wenn ich deine Berichte über deine Radtour lese, bin ich mir sicher, dass es ein wunderbares Abenteuer war. Es müssen viele Treppen gewesen sein, um über die Alpen zu kommen …
    Aber Sie werden die entsprechende Kondition haben, um eine solche Reise anzutreten.
    Die Bilder sind sehr inspirierend und hier und da sehe ich Bilder von Orten, die mir sehr vertraut sind.

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    1. Hallo Rudi, insgesamt gab es nur an zwei Tagen anstrengende Anstiege. Das Schönste waren für uns an der Tour vor allem die langen Flusstäler im Gebirge, es rollte meist auch kilometerlang bergab 🙂 Ich denke, die Tour schafft jeder, der eine normale Kondition hat, man muss da wirklich kein durchtrainierter Sportler sein.

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      1. Hast du die Tour mit einem Rennrad oder mit einem normalen Fahrrad (Tourenrad) gemacht?

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        1. Wir sind mit einem Tourenrad gefahren, aber wir haben auch Einige mit Rennrad gesehen. Dort war die Route angepasst, dass alles asphaltiert war.

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  3. Moin Lutz! Verfolge eure Tour vom heimischen Sessel, aber lese voller Bewunderung Eure Tour. Und dass du noch Zeit zum Fotografieren und Energie zum Bloggen hast, Chapeau! Viel Glück weiterhin bis zum Ziel. 🌎👍

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    1. Hallo Rainer, das Bloggen geschieht erst Wochen später im Nachgang 🙂 Dafür war wirklich keine Zeit. Und das Stativ habe ich in der Reisetasche transportieren lassen. So beschränkt sich das Tagesgepäck auf dem Rad lediglich auf die Kamera und zwei zusätzliche Objektive. Aber das ist das Schöne am behutsamen Reise-Radeln, dass man keine Geschwindigkeitsrekorde brechen muss, sondern immer wieder Gelegenheit hat, sich umzuschauen, anzuhalten und zu fotografieren.

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      1. Danke für den Background, tut der Spannung beim Nachvollziehen Deiner Tour keinen Abbruch. So ist der Blog für Dich eine „Nachbereitung“ und für uns, Deine Leser,trotzdem eine Bereicherung.

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